Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

124 S 74. Das Eisenbahnwesen. 
verfassung enthaltenen Sätze finden auf Bayern keine Anwendung; 
dagegen steht nach Art. 46, Abs. 3 dem Reiche auch Bayern ge- 
genüber das Recht zu, „im Wege der Gesetzgebung einheitliche 
Normen für die Konstruktion und Ausrüstung der für die Landesver- 
teidigung wichtigen Eisenbahnen aufzustellen«. Der Ausdruck »einheit- 
liche Normen« bedeutet, daß die für das übrige Bundesgebiet in 
dieser Hinsicht aufgestellten Normen auch für Bayern in Kraft gesetzt 
werden können: sonach ist das Reich nicht befugt, für Bayern ohne 
dessen Zustimmung besondere Vorschriften zu erlassen. 
III. Da die Eisenbahnen Öffentliche Verkehrsanstalten sind und 
sie wie ein »einheitliches Netz« verwaltet werden sollen, so sind 
die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, ihrem Betriebe einen dem 
Verkehrsinteresse entsprechenden Umfang und wechselseitigen 
Zusammenhang zu geben. Dementsprechend sind ihnen im 
Art. 44 der Reichsverfassung drei Verpflichtungen auferlegt: 
1. Es sollen die für den durchgehenden Verkehr und zur Her- 
stellung ineinandergreifender Fahrpläne nötigen Personenzüge mit ent- 
sprechender Fahrgeschwindigkeit eingerichtet werden !). 
2. Die Eisenbahnverwaltungen haben die zur Bewältigung des 
Güterverkehrs nötigen Güterzüge einzuführen. 
3. Jede Eisenbahnverwaltung hat die direkte Expedition im Per- 
sonen- und Güterverkehr, unter Gestattung des Ueberganges der Trans- 
portmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die übliche Vergütung 
einzurichten. 
Die Ueberwachung der Ausführung dieser reichsgesetzlichen An- 
ordnungen liegt dem Kaiser ob, welche er vermittelst des Reichseisen- 
bahnamtes ausübt. Demgemäß sind dieser Reichsbehörde rechtzeitig 
die Fahrpläne einzureichen und alle an denselben vorzunehmenden 
Abänderungen anzuzeigen, und die Eisenbahnverwaltungen sind ver- 
pflichtet, den Anordnungen des Reichseisenbahnamtes, vorbehaltlich 
des Rekurses an das durch richterliche Mitglieder verstärkte Reichs- 
eisenbahnamt, nachzukommen. 
AufBayern finden diese Vorschriften keine Anwendung. Reichs- 
verfassung Art. 46, Abs. 2. 
IV. Art. 45 der Reichsverfassung überträgt dem Reiche die Kon- 
trolleüber das Tarifwesen. Daß dem Reiche die Normierung 
der Tarife zusteht, sagt der Artikel nicht; noch viel weniger, daß der 
Bundesrat oder der Kaiser (das Reichseisenbahnamt) den Eisenbahn- 
verwaltungen die Tarife vorschreiben dürfe. Die »Kontrolle« enthält 
lediglich die Befugnis, von den bestehenden Tarifen in Kenntnis ge- 
setzt zu werden ?) und das Recht der Ueberwachung, daß die Eisen- 
1) Zur Ausführung dieser Bestimmung finden jährlich Fahrplankonferenzen der 
Eisenbahnverwaltungen, und zwar nicht nur der deutschen, statt. 
2) Demgemäß hat das Reichseisenbahnamt durch Verfügung vom 24. Dezember 
1874 und vom 30. September 1875 Vorschriften über die Anzeigen erlassen, welche
	        
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