Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

128 & 74. Das Eisenbahnwesen. 
den Inlandsverkehr keine wesentlich anderen, namentlich keine für 
das Publikum ungünstigeren Bestimmungen gelten können, wie für 
die aus dem Auslande eingehenden oder in das Ausland versendeten 
Güter, so mußte das Betriebsreglement umgearbeitet und mit den im 
Berner Vertrage aufgestellten Regeln in Einklang gebracht werden. 
Dies ist geschehen durch die Verkehrs-Ordnung für die 
Eisenbahnen Deutschlands vom 15. November 1892, welche vom Bun- 
desrat »auf Grund des Art. 45 der Reichsverfassung« beschlossen und 
im Reichsgesetzblatt S. 923 ff. verkündet worden ist. Sie ist am 1. Ja- 
nuar 1893 an die Stelle des Betriebsreglements von 1874 getreten '). 
Besondere erleichternde Vorschriften sind für den wechselseitigen Ver- 
kehr zwischen den Eisenbahnen Deutschlands und Oesterreich- 
Ungarns vereinbart worden (Reichsgesetzbl. 1892, S. 1015 ff.), in 
neuer Fassung vom 9. Februar 1895 (Reichsgesetzbl. S. 139), sowie für 
den wechselseitigen Verkehr zwischen Deutschland, Oesterreich-Ungarn, 
der Niederlande und der Schweiz (Reichsgesetzbl. 1894, S. 113 fl.) ?). 
Hiernach ergab sich folgender Rechtszustand: 
a) Für den externen Verkehr mit den Staaten, welche dem 
Berner Vertrag beigetreten sind, bildet dieser Vertrag die ausschlieB- 
liche Rechtsnorm. Erist im Wege der Gesetzgebung genehmigt 
und daraufhin ratifiziert worden, hat also nicht bloß völkerrechtliche 
Wirksamkeit, sondern im Reichsgebiet auch formelle Gesetzeskraft 
und derogiert mithin dem Handelsgesetzbuch; er bil- 
det das geltende Frachtrecht. Er gilt für das ganze Reich mit Ein- 
schlußB Bayerns, und da Bayern nicht als selbständiger Kontrahent den 
Vertrag geschlossen hat, der Vertrag vielmehr auf Bayern als Teil des 
Reiches Anwendung findet, so kann Bayern auch diejenigen Rechte 
nicht ausüben, welche in dem Vertrage den vertragschließenden Staaten 
eingeräumt worden sind. Dahin gehört namentlich das im Art. 60 
festgesetzte Kündigungsrecht; von diesem Recht kann nur das 
Reich Gebrauch machen. 
Der Berner Vertrag enthält aber nicht Rechtssätze von nur dis- 
positivem Charakter, sondern er schließt die Vertragsfreiheit aus; die 
Transportreglements (Tarifbedingungen) der Eisenbahnen und Eisen- 
bahnverbände finden auf den internationalen Transport keine An- 
wendung, soweit sie demselben widersprechen (Art. 4). Die beteiligten 
den Eisenbahnfrachtverkehr, Berlin 1894; Rosenthal, Internationales Eisenbahn- 
frachtrecht, Jena 1894. Das Verzeichnis der Eisenbahnlinien, auf welche der Berner 
Vertrag Anwendung findet, wird von Zeit zu Zeit im Reichsgesetzbl. veröffentlicht. 
Die neueste Liste daselbst 1913, S. 185 ff. 
1) Eine Darstellung der Entwicklungsphasen des Betriebsreglements und der 
Verkehrsordnung geben jetzt Gerstner im Arch. f. öffentl. R. Bd. 11, S. 161 ff. 
(1896) und besonders Eger in der ausführlichen Einleitung zu seinem trefflichen 
Kommentar zur Eisenbahn-Verkehrsordnung. 2. Aufl., Berlin 1901. 
2) Diese Bestimmungen sind auch ausgedehnt worden auf Luxemburg. Reichs- 
gesetzbl. 1893, S. 189; 1894, S. 149, auf Belgien Reichsgesetzbl. 1894, S. 403.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.