Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

8 91. Der Gerichtsdienst. 479 
Amte unter Verlust des Gehaltes kann durch Plenarbeschluß des Reichs- 
gerichts nach Anhörung des Mitgliedes und des Oberreichsanwalts aus- 
gesprochen werden, wenn das Mitglied zu einer Strafe wegen einer 
entehrenden Handlung oder zu einer Freiheitsstrafe von längerer als 
einjähriger Dauer rechtskräftig verurteilt worden ist'?). 
e) Wenn ein Mitglied durch ein körperliches Gebrechen oder durch 
Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner 
Amtspflichten dauernd unfähig wird, trotzdem aber die Versetzung in 
den Ruhestand nicht beantragt und auch der Aufforderung, binnen 
einer bestimmten Frist diesen Antrag zu stellen, nicht Folge leistet, 
so kann nach Anhörung des Mitgliedes und des Oberreichsanwalts 
durch Plenarbeschluß des Reichsgerichts die Versetzung in den Ruhe- 
stand ausgesprochen werden ’?.. Wenn ein Mitglied das 65. Lebens- 
jahr vollendet hat, so ist der Anspruch auf Ruhegehalt nicht durch 
Dienstunfähigkeit bedingt °). 
III. Der Gerichtsdienstim Ehrenamt. 
1. Die Handelsrichter werden ernannt, und zwar auf gutacht- 
lichen Vorschlag des zur Vertretung des Handelsstandes berufenen 
Organs *). Das Reichsgesetz sagt zwar nicht ausdrücklich, von wem 
die Ernennung erfolgt; da alle Staatsämter aber im Zweifel vom Staats- 
oberhaupt verliehen werden, so ist dies bei dem Mangel einer entge- 
genstehenden Bestimmung auch von dem Amt der Handelsrichter an- 
zunehmen, und sämtliche Ausführungsgesetze der Einzelstaaten, welche 
sich überhaupt mit dem Institut der Handelsrichter beschäftigen, be- 
stätigen dies ausdrücklich). In dieser landesherrlichen Ernennung 
der Handelsrichter liegt der prinzipielle Gegensatz zwischen dem Rechts- 
grund ihrer Dienstpflicht und demjenigen der Dienstpflicht der Schöffen 
und Geschworenen und der Beisitzer der oben S. 472 genannten Ge- 
richte; es findet nicht eine durch Gesetz geregelte Heranziehung 
zur Ausübung einer allgemeinen Untertanenpflicht statt, sondern 
die Berufung einzelner, als besonders geignet erachteter Personen 
1) Gerichtsverfassungsgesetz &8 128. Daneben finden selbstverständlich auch die 
Bestimmungen des Reichsstrafgesetzbuchs 8 31, 33, 35, Abs. 2 Anwendung. Vgl. Bd.1, 
S. 494. 
2) Gerichtsverfassungsgesetz & 131. Das Ruhegehalt berechnet sich — abwei- 
chend von den Vorschriften des Reichsbeamtengesetzes — gemäß den in $ 25, 
Abs. 2 u. 3 des Gesetzes vom 12. Juni 1869 bereits sanktionierten Regeln. Gerichts- 
verfassungsgesetz 8 130. Vgl. Bd. 1, S. 505 ff. 
3) Reichsgesetz vom 22. Mai 1910 (Reichsgesetzbl. S. 767) Art. 1 Ziff. 1. 
4) Gerichtsverfassungsgesetz $S 112. Den Einzelstaaten ist die nähere Bezeich- 
nung dieses Organes überlassen. 
5) Vgl. die Ausführungsgesetze zum Gerichtsverfassungsgesetz für Preußen 
8 7, Bayern Art. 1; Württemberg&$21; Baden $8; Braunschweig $6; 
Elsaß-Lothringen $1. In den freien Städten übt der Senat das Ernennungs- 
recht aus. Lübeck $4 29; Bremen $85; Hamburg $ 76.
	        
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