Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

522 8 94. Die Kosten und Gebühren. 
mie von jedem Staate für das Verfahren vor seinen Gerichten anerkannt 
werden; demgemäß sind die landesgesetzlichen Vorschriften, welche 
für gewisse Rechtssachen oder für gewisse Personen in dem Verfahren 
vor den Landesgerichten Gebührenfreiheit gewähren, durch die Reichs- 
gesetzgebung unberührt geblieben'). Für das Verfahren vor dem Reichs- 
gericht kann die Befreiung von Gebühren durch kaiserliche Verordnung 
mit Zustimmung des Bundesrats gewährt werden?) 
Jedoch sind reichsgesetzlich folgende Befreiungen von Gebühren 
und Gebührenvorschuß anerkannt: 
a) Volle Gebührenfreiheit steht zu dem Reich in dem 
Verfahren vor den Landesgerichten und den Bundesstaaten in dem 
Verfahren vor dem Reichsgericht’). 
b) Befreiung von der Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten und 
einstweilige Befreiung von der Berichtigung der rückständigen 
und künftig erwachsenden Gerichtskosten, einschließlich der Gebühren 
der Beamten, der den Zeugen und den Sachverständigen zu gewähren- 
den Vergütung und der sonstigen baren Auslagen, sowie der Stempel- 
steuer erlangt eine Partei in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten durch 
Bewilligung des Armenrechts‘. Auf Bewilligung des Armenrechts 
hat nur Anspruch, wer außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des 
für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Kosten des 
Prozesses zu bestreiten); es ist zu versagen, wenn die beabsichtigte 
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig oder aussichtslos 
erscheint °). 
Ausländer haben auf das Armenrecht nur insoweit Anspruch, als 
die Gegenseitigkeit verbürgt ist”), was in der Regel nur durch Abschluß 
eines Staatsvertrages geschehen kann?) Ueber das Gesuch um Be- 
willigung des Armenrechts entscheidet das Prozeßgericht, und zwar 
  
1) Gerichtskostengesetz $ 98, Abs. 2. 
2) Gerichtskostengesetz $ 98, Abs. 3. Verordnung vom 24. Dezember 1883 (Reichs- 
gesetzbl. 1884, S. 1). 
3) Gerichtskostengesetz $ 98, Abs. 1. Die Gebührenfreiheit involviert aber nicht 
die Befreiung von der Pflicht, die erwachsenden Auslagen zu ersetzen. In dem 
Gerichtskostengesetz werden durchweg Gebühren und Auslagen scharf voneinander 
unterschieden. Dies ist auch dadurch nicht abgeändert worden, daß jetzt nach $ 80a 
des Gesetzes die Auslagen nach Pauschsummen berechnet werden. Beschluß des 
Reichsgerichts Bd. 75, S. 311. 
4) Zivilprozeßordnung 8 115, Ziff. 1 u. 2. Die Vorschriften der Zivilprozeßord- 
nung über das Armenrecht finden auch auf Konkurssachen Anwendung. Konkurs- 
ordnung $ 72. Ebenso auf die freiwillige Gerichtsbarkeit. Reichsgesetz vom 17. Mai 
1898, 8 14. 
5) Es ergibt sich hieraus, daß die Bewilligung des Armenrechts an juristische 
Personen unzulässig ist. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 33, 
S. 367. Der Nachweis der Bedürftigkeit ist zu führen durch ein „von der obrigkeit- 
lichen Behörde“ der Partei ausgestelltes Zeugnis. Zivilprozeßordnung $ 118, Abs. 2. 
6) Zivilprozeßordnung $ 114, Abs. 1. 7) Ebendaselbst Abs. 2. 
8) Haager Abkommen über den Zivilprozeß vom 17. Juli 1905, Abschnitt IV.
	        
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