Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 106. Die gesetzliche Wehrpflicht. 157 
lichen Befehlen Gehorsam schuldig ist. Nur muß der Befehl 
ein militärdienstlicher sein, d. h. entweder ein Dienstbefehl seiner 
Fornı nach oder ein Befehl in Dienstsachen seinem Inhalt nach !). 
Durch diesen Satz ist die aktive Dienstpflicht von allen anderen Un- 
tertanenpflichten spezifisch verschieden; nicht weil sie eine Gehor- 
samspflicht ist, sondern weil es keine rechtlichen Grenzen für das 
gibt, was dienstlich befohlen werden kann?) Hierauf und auf den 
starken Schutzmitteln, mit denen der militärische Gehorsam gesichert 
ist, beruht die außerordentliche Intensivität der staatlichen Militär- 
gewalt. 
Die Erfüllung der militärischen Gehorsamspflicht ist durch eine 
Reihe von Rechtsvorschriften gesichert: 
Die Wehrpflichtigen leisten bei ihrer Einstellung in einen Truppen- 
teil den Fahneneid, in welchem sie die genaue Befolgung der ihnen 
erteilten Befehle angeloben °). 
Das Militärstrafgesetzbuch behandelt im sechsten Abschnitt 
($ 89—113) Verletzungen der Pflicht der militärischen Unterordnung. 
Die Strafen sind je nach dem Tatbestande abgestuft; in schweren 
Fällen tritt die Todesstrafe ein). Ganz allgemein aber bestimmt $ 92: 
»Ungehorsam gegen einen Befehl in Dienstsachen durch Nichtbefol- 
gung oder durch eigenmächtige Abänderung oder Ueberschreitung des- 
selben wird mit Arrest bestraft.« Der Gemeine muß jedem Offizier 
und Unteroffizier und der Unteroffizier jedem Offizier des Heeres, 
der Marine oder Schutztruppe Achtung und Gehorsam beweisen 
und hat ihre Befehle pünktlich zu befolgen. (Kriegsartikel für das 
Heer vom 22. September 1902, Art. 11.) 
Die Disziplinarstrafordnung für das Heer vom 31. Ok- 
tober 18725) und die Disziplinarverordnung für die kaiserliche Marine 
vom 4. Juni 1891) enthalten ebenfalls Vorschriften über die Bestra- 
1) Vgl. oben S.37 und die Erörterung von M.E. Mayer in der daselbst Note 1 
zitierten Festschrift S. 151 ff. 
2) Auch wenn durch die Ausführung eines Befehls in Dienstsachen ein Straf- 
gesetz verletzt wird, so ist dafür der befehlende Vorgesetzte allein verantwortlich. 
Ausgenommen ist jedoch — abgesehen von einer Ueberschreitung des Befehls -- der 
Fall, wenn dem Untergebenen bekannt gewesen ist, daß der Befehl des Vorge- 
setzten eine Handlung betraf, welche ein bürgerliches oder militäri- 
sches Vergehen bezweckte. Führt der Untergebene trotzdem einen solchen 
Befehl aus, so trifft ihn die Strafe des Teilnehmers. Militärstrafgesetz- 
buch $ 47. Hieraus ergibt sich, daß ein solcher Befehl für den Untergebenen nicht 
rechtsverbindlich ist, insbesondere, daß er für die Nichtbefolgung desselben nicht 
verantwortlich gemacht werden kann. 
3) Vgl. oben $ 99, IH, S. 74. 
4) Militärstrafgesetzbuch $ 95, 97, Abs. 3, 107, 108. 
5) Armeeverordnungsbl. 1872, S. 330. Eingeführt in Württemberg durch Ver- 
ordnung vom 27. November 1872, Württemb. Militärverordnungsbl. S. 368. In Bayern 
Verordnung vom 12. Dezember 1872, Bayer. Militärverordnungsbl. S. 49. 
6) Marineverordnungsbl. 1891, S. 116.
	        
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