Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

218 8 108. Einfluß d. Militärdienstverhältnisses auf andere Rechtsverhältnisse. 
8 108. Einfluß des Militärdienstverhältnisses auf andere 
Rechtsverhältnisse *). 
In ganz ähnlicher Art wie das Beamtenverhältnis, jedoch in grö- 
ßBerem Umfange, äußert der Militärdienst im Heere und in der Flotte 
einen Einfluß auf andere Rechtsverhältnisse, welche mit demselben in 
keinem notwendigen und logisch gebotenen Zusammenhange stehen '). 
Im allgemeinen macht es hierbei keinen Unterschied, ob die Militär- 
person den Dienst auf Grund des Gesetzes leistet, oder ob sie die 
Dienstpflicht freiwillig übernommen hat; der Militärdienst als solcher 
und die mit demselben verbundene eingreifende Beschränkung der 
individuellen Freiheit erscheint als genügendes Motiv zur Ausschlie- 
Bung des gemeinen Rechts und zur Anerkennung eines ius singulare. 
Das letztere findet nicht nur auf Offiziere, Kapitulanten und Militär- 
beamte, sondern auch auf alle Wehrpflichtigen Anwendung, während 
sie im aktiven Heer sich befinden. Einzelne dieser Rechtssätze 
stehen aber in so enger Beziehung mit dem Beruf und den allge- 
meinen Lebensverhältnissen, daß sie auf Personen, welche aus ihrer 
bürgerlichen Lebensstellung zeitweilig zum Militärdienst eingezogen 
werden, nicht vorübergehend Anwendung finden können; sie gelten 
daher nur für die Militärpersonen des Friedensstandes, sind da- 
gegen für die Militärpersonen des Beurlaubtenstandes, selbst 
wenn dieselben zum aktiven Dienst einberufen sind, unanwendbar ’?). 
Die Rechtsmaterien, in denen für Militärpersonen Sätze des ius 
singulare bestehen, sind im wesentlichen auf dieselben Kategorien zu- 
rückzuführen, welche oben Bd. 1, 853 hinsichtlich der Reichsbeamten 
angegeben worden sind; diese besonderen Rechisregeln betreffen teils 
die Rechtsverfolging, teils Ausnahmen von allgemeinen staatsbürger- 
lichen Lasten oder Rechten, teils endlich Beschränkungen oder Be- 
günstigungen in privatrechtlichen Verhältnissen. 
I. Besondere Vorschriften hinsichtlich der Rechts- 
verfolgung. 
1. In Strafsachen unterliegen Militärpersonen einer beson- 
deren Gerichtsbarkeit. (Siehe oben S. 115 ff.) Ausgenommen ist die 
Untersuchung und Entscheidung wegen Zuwiderhandlungen gegen 
Finanz- und Polizeigesetze, Jagd- und Fischereigesetze, sowie gegen 
Verordnungen dieses Inhalts, wenn die Handlung nur mit Geldstrafe 
*), Schwenger, Die staatsbürgerl. Sonderstellung des deutschen Militärstandes. 
Tübingen 1907 (Abh. von Zorn und Stier-Somlo III, 1). 
1) Vgl. Bd. 1, $ 53. 
2) Dieser Unterschied fällt aber nicht zusammen mit dem Gegensatz des gesetz- 
lichen und des freiwillig übernommenen Militärdienstes; zu den Militärpersonen des 
Friedensstandes gehören auch die Freiwilligen und ausgehobenen Rekruten, während 
dieselben ihre aktive Dienstpflicht erfüllen. Militärgesetz $ 38 A, Ziff. 3.
	        
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