$ 115. Das aktive Reichsvermögen. 357
derselben in den Bund die Organisation der norddeutschen Bundes-
konsulate bereits durchgeführt war und nach der Reichsgründung die-
selben einfach in Reichskonsulate umgewandelt wurden. Unter den
Staaten des Norddeutschen Bundes aber kam wieder nur Preußen in
Betracht, da die etwa vorhandenen Ausrüstungsgegenstände der Lan-
deskonsulate der übrigen Staaten nicht in Anspruch genommen
wurden.
Zweifelhafter ist die Anwendung des Gesetzes auf die diplo-
matische Vertretung. Denn da den Finzelstaaten das aktive Ge-
sandtschaftsrecht durch die Reichsverfassung nicht entzogen worden,
vielmehr das Nebeneinanderbestehen von Reichs- und Landesgesandt-
schaften gestattet ist, so kann man, streng genommen, nicht sagen, daß
die Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten von den Einzelstaaten
auf das Reich übergegangen ist; es ist vielmehr die Verwaltung
der auswärtigen Angelegenheiten des Reiches als ein neues Ver-
waltungsressort des Reiches neben die (de iure fortbestehenden) Ver-
waltungen. der auswärtigen ‘Angelegenheiten der einzelnen Bundes-
staaten getreten. In der Tat haben ja auch einzelne Staaten, insbe-
sondere Bayern, ihr aktives Gesandtschaftsrecht und demgemäß ihre
Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten in beschränktem Um-
fange fortgeführt. Von der Anwendung des Gesetzes vom 25. Mai 1873
auf das Inventar der auswärtigen Aemter und Gesandtschaften dieser
Staaten ist auch niemals die Rede gewesen. Dasselbe muß nun auch
für Preußen gelten, und von diesem Gesichtspunkt aus könnte man
das Eigentum des Reichsfiskus an dem preußischen Ministerialgebäude
des Auswärtigen Amtes und an den preußischen Gesandtschaftshotels
bestreiten. Allein da die Identität des Kaisers und des Königs von
Preußen zur Folge hat, daß die Gesandten des Reiches zugleich preu-
ßische Gesandte sind und das Auswärtige Amt des Reiches zugleich
als preußisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten fungiert,
so hat tatsächlich hier ein Uebergang der preußischen Verwaltung in
eine Reichsverwaltung stattgefunden und demgemäß hat sich das
preußische Verwaltungseigentum dieses Ressorts in Reichseigentum
umgewandelt.
e) Die Post- und Telegraphenverwaltung ist nach der
komplizierten Kompetenzabgrenzung in Art. 50 der Reichsverfassung
verfassungsgemäß nur teilweise Reichsverwaltung, zum anderen Teil
Landesverwaltung; dagegen sind nach Art. 49 der Reichsverfassung
die Kosten des Post- und Telegraphenwesens aus Reichsmitteln zu
bestreiten. Hier wird also die Fassung des 8 1, Abs. 1 des Gesetzes
vom 25. Mai 1873 von Erheblichkeit; sie überträgt dem Reiche das
Eigentum an dem gesamten Post- und Telegrapheninventar aller Bun-
desstaaten, ohne Rücksicht auf die denselben verbliebenen Verwal-
tungsbefugnisse. Ausgenommen sind jedoch Bayern und Würt-
temberg, da diese beiden Staaten nicht nur die Selbstverwaltung