Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

8 117. Allgemeine Charakteristik und geschichtliche Entwicklung. 381 
Einzelstaaten wurden beide in die engste Verbindung gesetzt und die 
Einzelstaaten je nach dem Resultat der Reichsfinanzwirtschaft bald 
mit dem Ueberströmen von Ueberweisungen bald mit der Anforde- 
rung von Matrikularzuschüssen in Verlegenheit gesetzt!). Als aber 
die Ausgaben des Reichs für Heer, Marine, Schutzgebiete, Arbeiterver- 
sicherung, Besoldungen und Pensionen, Anleihezinsen usw. dauernd 
eine Höhe,erreichten, welche den Gesamtertrag der Ueberweisungs- 
steuern und anderen Einnahmen erheblich überstieg, verloren die 
Ueberweisungen für die Finanzwirtschaft der Bundesstaaten allen Wert 
und die Einzelstaaten mußten Anleihen aufnehmen, um die Matriku- 
larbeiträge aufzubringen, während zugleich das Reich sich eine viele 
Milliarden betragende Schuldenlast auflud. 
Es war daher eine neue Reform der Reichsfinanzen nötig, 
welche einerseits dem Reich neue Einnahmen zuführen, andererseits 
die üblen Folgen der Frankensteinschen Klausel möglichst beseitigen 
und die Verquickung der Reichs- und Landesfinanzwirtschaft wieder 
aufheben sollte. Ein in dieser Richtung im Jahre 1893 von den Bun- 
desregierungen gemachter Versuch °) scheiterte aber an dem Wider- 
stande des Reichstages und die 1896—1900 jährlich erlassenen Gesetze, 
durch welche die Verteilung von Ueberschüssen in willkürlicher und 
unregelmäßiger Weise vermindert wurde, mit dem Vorbehalt, daß 
diese Verteilung nachträglich nach dem wirklichen Ergebnis des 
Reichshaushalts wieder abgeändert werde, erhöhten nur den finanz- 
rechtlichen Wirrwarr ’°). 
Eine Abhilfe, wenngleich keine vollständige, brachten endlich die 
Reichsgesetze vom 14. Mai 1904 (Reichsgesetzbl. S. 169) und vom 3. 
Juni 1906 (Reichsgesetzbl. S. 173). Das Gesetz vom 14. Mai 1904 hob 
die Ueberweisungen der Zölle und Tabaksteuer auf und gab dem 
Art. 70 der Reichsverfassung eine andere Fassung, indem die Worte, 
»so lange Reichssteuern nicht eingeführt sind« gestrichen und die 
»Ueberweisungen« ausdrücklich erwähnt worden sind. Das Gesetz 
vom 3. Juni 1906 verstärkte die eigenen Einnahmen des Reichs durch 
eine Erhöhung der Brausteuer und der Stempelabgaben und durch 
Einführung einer Zigarettensteuer und einer Besteuerung der Erb- 
schaften und Schenkungen. Bei diesen Steuern wurden Ueberwei- 
sungen an die Bundesstaaten ausgeschlossen, abgesehen von einem 
Anteil an der Erbschaftssteuer *%). Es blieben also nur die Ueberwei- 
1) Ueber die schädlichen Folgen dieser Einrichtung vgl. die 4. Aufl. dieses 
Werkes Bd. IV, S. 378 ff., 478 Note 1 und meine Abhandlung in der D. Juristenzeitung 
1902, S. 1 ff. 
2) Vgl. über diesen Gesetzentwurf die 4. Aufl. Bd. IV, S. 380 fg. und Buchner 
im Arch. des öffentl. Rechts Bd. 27, S. 201 ff. 
3) Vgl. über diese Gruppe von Gesetzen die 4. Aufl. Bd. IV, S. 381, Note 2 und 
Buchnera.a. O. S. 180 ff. 
4) Dieser Anteil, der durch spätere Reichsgesetze vermindert und jetzt noch
	        
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