Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Reichsstaatsrecht (2)

294 U. Von den Funktionen der Reichsgewalt. 
papiere ausgeben, welche, trotzdem dass sie nur eine Geldzah- 
lung versprechen oder in Aussicht stellen, freiwillig und unbedenk- 
lich statt Geldes genommen werden, weil der Credit des Staates ein 
wohlbegründeter ist und an der Zahlung nicht gezweifelt wird. In 
diesem Binne spricht die Reichsgesetzgebung von Reichepapier- 
geld, worunter die Reichskassenscheine zu verstehen sind, und von 
Staatspapiergeld, worunter »das von den einzelnen Bundes- 
staaten ausgegebene Papiergeld« begriffen wird. Obgleich beiden 
der Begriff des Geldes im juristischen Sinne fehlt, so bedürfen sie 
doch hier der Besprechung, weil sie durch reichsgesetzliche Vor- 
schriften geregelt sind. 
Artikel 4% der Reichsverfassung überweist dem Reiche sdie 
Feststellung der Grundsätze über die Emission von 
fundirtem und unfundirtem Papiergelde. 
Das Reich hat den Einzelstaaten die Ausgabe von Papiergeld 
untersagt und ihnen aufgegeben, das von ihnen ausgegebene Papier- 
geld bis zum 1. Januar 1876 einzuziehen. (Gesetz vom 16. Juni 
1870. Münzgesetz Artikel 18. Reichsgesetz vom 30. April 1874 68 2 
und 8.) Das Reich selbst hat Reichskassenscheine ausgegeben, 
welche nach Maassgabe der Bevölkerung an die Einzelstaaten ver- 
theilt worden sind, an diejenigen, welche Papiergeld ausgegeben 
hatten, mit der Auflage, die Reichskassenscheine zur Einziehung 
des Staatspapiergeldes zu verwenden. Diese Reichskassenscheine 
sind kein Geld im oben erörterten juristischen Sinne, da niemand 
im Privatverkehr verpflichtet ist, sie als Zahlungsmittel anzuneh- 
men, und dieselben von der Reichshauptkasse auf Rechnung des 
Reiches jederzeit gegen baares Geld eingelöst werden müssen. Die 
Ausfertigung derselben ist Sache der Reichsschuldenverwaltung, 
die unter der Kontrolle der Reichsschuldenkommission steht (B. II 
S. 109 $ 281). In dem oben erörterten juristischen Sinne giebt es 
weder im Reiche, noch in den Einzelstaaten Papiergeld als gesetz- 
liches Zahlmittel. Auch wird man nie an die Herstellung eines 
solchen denken, solange richtige volkswirthschaftliche Grundsätze 
und geordnete Finanzverhältnisse im deutschen Reiche bestehen, 
während für die Existenz von staatlich ausgegebenen Geldpapieren 
oder Geldsurrogaten gewichtige volkewirthschaftliche Gründe spre- 
chen; doch pflegt der Staat die Ausgabe von solchem unverzineslichen 
Geldpapier auch anderen Instituten, den Banken, unter bestimm- 
ten gesetzlichen Voraussetzungen zu gestatten.
	        
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