Auf den Kriegsschauplätzen 123
erhöhten Wert zu legen, womit deren Zuverlässigkeit, Sicherheit, Urteils-
kraft und Geschicklichkeit wuchs. Er vermied denn auch die Unklarheit, die
jeder Massenbetrieb im Nachrichtendienst hervorruft, indem er Unsummen
nach Herkunft und Wert schwer abwägbarer Nachrichten zeitigt, in deren
Menge die vielleicht wenigen wichtigen und zutreffenden untergehen.
Mit Erfolg ahmte der deutsche Nachrichtendienst das Verfahren des
französischen nach, Deserteure zur Rückkehr und zur Spionage in der
Front zu veranlassen. Es war auch in Frankreich möglich, daß Deser-
teure mehrfach zwischen der Front und Deutschland hin und her wechsel-
ten und die wichtigsten Nachrichten überbrachten. Es war auch nicht
schwierig, sie zu veranlassen, Kameraden zur Fahnenflucht sowie dazu
veranlassen, sich dem Nachrichtendienst zur Verfügung zu stellen. Diese
Jersetzungserscheinungen zeigten sich aber erst, nachdem sie im Frieden
bereits vorhanden gewesen waren, wieder in der zweiten Hälfte des
Krieges. Ebenso war es bei der französischen Bevölkerung im Hinter-
lande. Hier waren es aber weniger die einfachen Kreise des Volkes, als
die höheren, international angekränkelten Schichten. Als Beispiel, mit
welcher Genauigkeit der deutsche Nachrichtendienst selbst unter den er-
schwerten Umständen arbeiten konnte, will ich nur anführen, daß jeder
Einschlag des auf Paris gerichteten Riesengeschützes 24 Stunden später
genau bekannt war, daß also sozusagen eine artilleristische Feuerleitung
durch den Nachrichtendienst hergestellt werden konnte.
Der geheime Nachrichtendienst im Rücken der feindlichen Heere war
aber unter den gegebenen Verhältnissen doch immerhin so beschränkt,
daß er das Nachrichtenbedürfnis der Armee-Oberkommandos und der
Obersten Heeresleitung nicht allein befriedigen konnte. Die größte und
wertvollste Quelle für den deutschen Nachrichtendienst auf dem west-
lichen Kriegsschauplatz, in der Front die einzige, wurden daher die
feindlichen Kriegsgefangenen.
In der schnellen Auswertung dieser Quelle während der Schlachten
lag ihre größte Bedeutung. Es war nicht leicht, die nötige Anzahl brauch-
barer Dolmetscher für diesen Zweck zu finden. Die geringe Zahl von
Hilfskräften zwang auch diesen Zweig des Nachrichtendienstes auf das
Genaueste durchzubilden, damit nicht Reibungen die schon bestehenden
Schwierigkeiten noch vermehrten. Damit, daß auch Farbige zu ver-
nehmen sein würden, war zunächst überhaupt nicht gerechnet. Aber auch
zu deren Vernehmung fanden sich schließlich geeignete Dolmetscher.