Spione und Landesverräter 173
er, sondern die Agenten mit allen ihren minderwertigen Eigenschaften.
Denn die Gefahren, die der Nachrichtendienst birgt, sind für jeden, der
damit in Berührung kommt, groß. Sie liegen in der Unkontrollierbarkeit
des Handelns und der Nachrichten, aber auch in der großen Versuchung,
die das Geld bietet. Straffe Zucht ist im Nachrichtendienst notwendig
und Einstellung auf den politischen Gegner als den Feind, sowie der
Glaube an den Krieg. Aus diesen Gründen erklärt es sich wohl, daß
der Nachrichtendienst organisatorisch bei allen Staaten vorwiegend in
militärischer Hand liegt, wenn auch unter seinen Zielen die rein mili-
tärischen vor den politischen und wirtschaftlichen immer mehr zurück-
treten.
Der Nachrichtendienst bietet, wenn er ehrlich betrieben wird, viele
Enttäuschungen. Denn es ist seine Eigenart, daß sich schlechte Agenten
viel, und gute wenig melden. Die guten Agenten verbrauchen sich
schneller, weil sie sich der großen Gefahr ihres Berufs wirklich aus-
setzen. Die schlechten Agenten dagegen haben eine unbeschränkte Lebens-
dauer, weil sie die Gefahr vermeiden. So kann ein guter Nachrichten-
dienst selten an der großen Zahl seiner Agenten gemessen werden. Es
gehört aber Charakterstärke der leitenden Persönlichkeiten dazu, daß sie
die Säuberung ständig vornehmen und mit eigner Hand zerstören, was
ihnen Ansehen verleihen könnte, in Wirklichkeit aber nur Blendwerk
ist. Nach diesen Grundsätzen wurde der deutsche Nachrichtendienst geleitet.
Dem englischen können sie vor und anscheinend auch nach dem Kriege
gleichfalls nachgesagt werden. Der russische und französische Nach-
richtendienst befolgte sie weder vor noch im Kriege, der französische
befolgt sie auch nach dem Kriege nicht, weil es ihm nicht nur auf die
Feststellung von Tatsachen, sondern auf Meldungen ankommt, die den
politischen Zielen Frankreichs Vorschub leisten.
Das verächtliche Urteil über Spione ist allgemein nicht berechtigt.
Ganz bestimmt nicht gegen die nationalen Spione, die aus reiner Vater-
landsliebe den politischen und militärischen Führern des eignen Volks
unentbehrliche Dienste leisten und dabei ihr Leben für das Vaterland
einsetzen. Es gab solche während des Krieges in allen Lagern. Auch der
deutsche Generalstab wurde bei Kriegsbeginn von Deutschen beiderlei
Geschlechtes überlaufen, die zum Heeresdienste untauglich waren und
auf diese Weise ihrer Kriegspflicht genügen wollten. Es befanden sich
darunter Leute aus gebildeten und wohlhabenden Kreisen. Die Vor-