Spione und Landesverräter 175
Belgien, sowie dem aus politischen Gründen weitgehenden Gebrauch vom
Begnadigungsrecht durch den Generalgouverneur von Bissing zustimmen.
Es entstanden über diesen Punkt Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr
und diesem.
Die dankbare Anerkennung gebührt aber nur denjenigen nationalen
Spionen, deren Triebfeder ausschließlich der Wille war, zum Siege ihres
Volks beizutragen. Es gab auch andere. Es drängten sich an den Nach-
richtendienst eine ganze Anzahl von Personen heran, die den Nachrichten-
dienst für eigne Zwecke auszunutzen trachteten. Meist lief ihre Absicht
darauf hinaus, sich geschäftliche Vorteile dadurch zu sichern, daß ihnen
die Erleichterungen des Nachrichtendienstes im Grenzverkehr und sonst
zuteil werden sollten. Auch der Nachrichtendienst hatte seinen Anteil am
Schiebertum im Kriege zu tragen.
Diese Gruppe nähert sich sehr einer dritten: den internationalen
Spionen. Auch ihnen fehlt die moralische Rechtfertigung. Sie miß-
brauchen die Gastfreundschaft des neutralen Landes und sind meist nur
von der Sucht, Geld zu verdienen, beseelt. Mit dieser Gesinnung sind
sie unzuverlässig und feige. Dieser Eindruck wurde in allen Fällen be-
stätigt, in denen sie zur Aburteilung vor den Gerichten standen. Der
deutsche Nachrichtendienst hat aber einige Beispiele erlebt, in denen auch
neutrale Ausländer in ehrlicher Uberzeugung von dem sich an Deutsch-
land vollziehendem Unrecht ihm selbstlos Dienst geleistet haben.
Das traurigste Kapitel in der Entwicklung des Nachrichtendienstes
bildet der Landesverrat. Es ist ein schwerer Schaden für die Interessen
des Staates, daß nur der militärische Landesverrat mit Strafe belegt
wird. Seitdem der Kampf zwischen den Völkern sich nicht mehr nur
militärisch abspielt, ist der Landesverrat auf politischem und wirtschaft-
lichem Gebiet mindestens so schwerwiegend, und in den geiten des soge-
nannten Friedens schwerwiegender, wie der militärische Landesverrat.
Es widerspricht dem Rechtsempfinden, daß der Spion, welcher sich für
sein Volk opfert, verachtet und mit strenger Strafe belegt wird, während
der Landesverräter, der sein Volk bewußt oder unbewußt schädigt, straf-
frei ausgeht und häufig noch obendrein wirtschaftlich oder politisch
Nutzen aus seiner Handlungsweise zieht. Völker mit gesundem natio-
nalen Empfinden sollten in Zukunft die Spione mit Achtung nennen,
gegen die Landesverräter aber tiefste Verachtung empfinden und sie mit
schwersten Strafen belegen.