Rückblick und Ausblick 170
Nachrichtendienst außer der politischen Leitung auch die für diesen Zweck
allerdings unentbehrliche Masse von Agenten.
Der Krieg befreite den militärischen Nachrichtendienst von den Fesseln
des Friedens und gestattete ihm eine freie Entfaltung. Aber auch im
Kriege blieb der deutsche Nachrichtendienst rein militärisch. Der General=
stab mußte ihn unter Verhältnissen, die nicht vorauszusehen waren,
gegen Frankreich und Rußland neu, gegen England und später gegen
Amerika aus dem Nichts aufbauen.
Der Umstand, daß dies gelang, beweist, daß bei der gleichen Ent-
schlossenheit auch im wirtschaftlichen und politischen Nachrichtendienst
noch etwas zu leisten war und daß mit vereinten Kräften unter ent-
schlossener politischer Führung viel hätte eingeholt und erreicht werden
können.
Anstatt dessen aber wurde der militärische Nachrichtendienst mit dem
Pressedienst belastet und ihm im späteren Verlauf des Krieges auch die
Sorge für die Stimmung im Volk und Heer überlassen. Beides ver-
schaffte ihm nicht politische Unterstützung, sondern politische Feindschaft.
Zwischen militärischem Nachrichtendienst und politischen Ansichten in
Deutschland tat sich eine immer größere Kluft auf. Während letztere
an eine Verständigungsbereitschaft des Gegners glaubten und Friedens-
möglichkeiten behaupteten, meldete der militärische Nachrichtendienst nie
etwas von Schwäche der militärischen oder Verständigungsbereitschaft
der politischen Führung beim Feind. Wohl gingen Meldungen ein von
Kriegsmüdigkeit und Lockerung der Disziplin bei einzelnen Truppenteilen.
Sie waren aber stets begleitet von der Meldung rücksichtslosesten Ein-
schreitens der Regierungen, die sich demokratisch nannten und trotzdem,
wie es richtig ist, den Massen ihren Willen aufzwangen.
Jedes Jeichen von Schwäche in Deutschland aber fand keine Korrek-
tur, sondern stetes Nachgeben durch die Regierung. Der feindliche Nach-
richtendienst erkannte mit Leichtigkeit, an welchen Stellen er mit der
Propaganda einzusetzen hatte. Er wußte, wie er Unzufriedenheit und
Schwäche vergrößern, Irrglauben aber stärken konnte.
Der Geist vom August 1914 erhielt sich zum Schluß nur noch an
der Front. Er war das innerste Geheimnis der Erfolge des deutschen
Heeres. Am 28. September 1918 war eine fremdländische Offiziers-
abordnung auf dem Rückweg von der Kampffront in Frankreich Gast
des Generalfeldmarschalls von Hindenburg im Großen Hauptgquartier.
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