Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

20 Kriegsvorbereitung 
Mitteln arbeitete, stellte der deutsche Reichstag alljährlich für den ge- 
samten Nachrichten- und Abwehrdienst des Generalstabes nur 300 ooo 
Mark zur Verfügung. Während in Rußland sämtliche Behörden im 
Dienst des Nachrichtenwesens standen, verhielten sich die deutschen Be- 
hörden, je höher, desto mehr den Bestrebungen des Generalstabes gegen- 
über ungläubig, soweit sie vom Auswärtigen Amt abhingen, ablehnend, 
weil sowohl der eigene wie die Abwehr des fremden Nachrichtendienstes 
als störend für die „freundschaftlichen Beziehungen“ zwischen Deutsch- 
land und dem Auslande angesehen wurden. 
Für den Aufbau eines deutschen Nachrichtendienstes in Rußland lagen 
die Verhältnisse auf den ersten Blick an sich günstig. Unter der im rus- 
sischen Grenzgebiet vorherrschenden jüdischen Bevölkerung fanden sich 
mühelos zahlreiche Elemente, die bereit waren, Spionageaufträge aus- 
zuführen und als Vermittler zu Beamten und Offizieren in hohen Stel- 
lungen zu dienen. Der jüdische Handelsmann und Geldverleiher spielte 
ohnehin in diesen Kreisen eine verhängnisvolle Rolle. Dazu kam, daß sich 
die Rückwirkung des ausgedehnten russischen Spionagewesens fühlbar 
machte, indem sowohl der Grenzbevölkerung wie den Beamten und 
Offizieren die Spionage ins Blut übergegangen war. 
Mir trat hier zum ersten Male der Schaden entgegen, den das eigene 
Volkstum leidet, wenn die Bevölkerung plan= und systemlos zur Spio- 
nage verwendet wird, und ich habe späterhin begreifen lernen, warum 
England und Frankreich vorzugsweise neutrale Ausländer für ihre Spio- 
nagezwecke verwendeten. Während Rußland sich selbst infizierte, haben 
sie das eigene Volk freigehalten vom Gift der Spionage, haben sie 
die neutralen und die von ihnen befeindeten Völker, besonders die in 
Österreich-Ungarn und in Deutschland, verseucht. 
Wollten also in Deutschland die Behörden an Spionage nicht glauben 
und lebte die Bevölkerung im Hinterlande harmlos nur in phantastischer 
Vorstellung von der Spionage dahin, so war diese in Rußland für 
Behörden und Bevölkerung etwas Selbstverständliches und Alltägliches 
geworden. Es wäre aber verfehlt, zu glauben, daß der deutsche Nach- 
richtendienst daraus wesentlichen Nutzen hätte ziehen können. Er verfügte 
nicht über die Mittel, die Ansprüche zu befriedigen, die die russischen 
Kreise an ihn stellten, denen es mehr darauf ankam, mühelos große 
Geldsummen zu verdienen, als für Deutschland zuverlässige und für 
die eigene Person gefährliche Arbeit zu leisten. Die Spionage wurde
	        
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