Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

Kriegsvorbereitung 23 
Ich besinne mich vergeblich auf ähnliche Maßnahmen der Regierung 
in Deutschland vor dem Kriege. 
Auf deutschen Boden zurückgekehrt, erhielt ich in Metz und Straßburg 
bei den mit dem Kampf gegen den französischen Nachrichtendienst be- 
trauten Behörden Aufschluß über den gegenwärtigen Stand der von 
Frankreich gegen Deutschland geführten Spionage. Längs der Grenze 
hinter einem dichten Schleier von Spezialkommissaren, welche die Agenten 
suchten, den Verkehr zu ihnen vermittelten und sie überwachten, arbei- 
teten die Nachrichtenabteilungen des Generalstabs bei den Gorverne- 
mente der Festungen Belfort und Verdun und beim Generalkommando 
des XX. Armeekorps in Nancy. Zu ernsten politischen Folgen hatte 
schon im Jahre 1887 der Fall Schnäbele geführt. Dieser Spezialkom= 
missar hatte bei seinen zahlreichen persönlichen Erkundungsfahrten 
nach Deutschland die notwendige Vorsicht derart außer acht gelassen, 
daß er endlich sogar die Aufmerksamkeit der deutschen Behörden erweckte 
und beim Uberschreiten der Grenze festgenommen wurde. Die Erregung 
in Frankreich wegen dieses ungewohnten deutschen Eingreifens steigerte 
sich unter dem Einfluß des Kriegsministers Boulanger bis zur Kriegs- 
gefahr. Um diese zu beseitigen, ordnete Bismarck die Freilassung des 
Kommissars an, der seine Tätigkeit im Nachrichtendienst als Sprach- 
lehrer von Nancy aus fortsetzte. Nebenbei deckte der Vorgang auf, daß 
der Kommissar ein tätiges Mitglied der monarchistischen Partei war. 
Das hinderte ihn aber nicht, sich im Nachrichtendienst der Republik 
gegen Deutschland einzusetzen, wie es die Republik nicht hinderte, ihn 
dafür in Schutz zu nehmen und zu belohnen. 
Die deutsche Polizei in Elsaß-Lothringen erwies sich als völlig unzu- 
reichend gegen das Eindringen der französischen Spione. Dies war nicht 
verwunderlich. Denn die Ausgaben für die Polizei wurden vom Landtag 
bewilligt, dem Elemente wie Wetterlé, Blumenthal u. a. angehörten, die 
selbst im Verdacht standen, den Franzosen landesverräterische Dienste 
zu leisten und die zum mindesten gar kein Interesse daran hatten, die 
deutsche politische Polizei zu stärken. So stand der deutschen Grenz- 
polizei auf französischer Seite die zehnfache Zahl gegenüber. Und den 
seit 1875 bestehenden, mit Offizieren reichlich ausgestatteten Nach- 
richtenabteilungen des französischen Generalstabs längs der Grenze 
wurden erst in den Jahren 9110 bis 1913 deutsche Nachrichtenoffiziere 
bei den drei Generalkommandos in Elsaß-Lothringen gegenübergestellt.
	        
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