44 Kriegsausbruch
für notwendig erachtet und der mir vom Anfang Juli bis Mitte August
bewilligte Urlaub aufrechterhalten.
Ich verlebte ihn mit meiner Familie im Harz. Uber die amtliche
Auffassung wurde ich auf dem Laufenden gehalten. Sie war weit be-
ruhigender als die in der Presse, obgleich der militärische Nachrichten-
dienst und Konsulate aus Rußland von Kriegsvorbereitungen in Ruß-
land berichteten. Bis zum 24. Juli lauteten die Weisungen für mich
dahin, daß kein Anlaß vorliege, meinen Urlaub abzubrechen. Erst am
25. Juli wurde ich nach Berlin berufen, um an einer Besprechung bei
dem aus Karlsbad zurückkehrenden General von Moltke teilzunehmen.
Aber auch jetzt noch hieß es, daß ich am nächsten Tage zu meiner Familie
zurückkehren könne. Nur mit dem Notwendigsten ausgerüstet, fuhr ich
nach Berlin. Die Besprechung mit dem Generalstabschef beschränkte
sich auf eine Beurteilung der vorliegenden Nachrichten, die noch nicht
als unbedingt ernst angesehen wurden. Für mich in meiner Stellung
waren sie aber doch so schwerwiegend, daß ich in Berlin blieb und den
Befehl erwirkte, daß der bei drohender Kriegsgefahr vorbereitete ver-
schärfte Nachrichtendienst gegen Rußland und gleichzeitig der gegen
Frankreich einsetzte.
Die nächsten Tage steigerten die aus Rußland eingehenden Mel-
dungen und zeigten den schnellen Fortschritt der russischen Mobil-
machung. Dennoch ließ ich Frau und Kinder bis zum 31. Juli im
Harz, weil ich gleichzeitig Zeuge des Willens und der Bestrebungen
des Generals von Moltke, des Reichskanzlers und des Kaisers war,
den Frieden zu erhalten. Erst als am 31. Juli früh ein Nachrichten-
offizier von der russischen Grenze meldete, daß Rußland im vollen
Umfang auch gegen Deutschland mobil mache, schien der Krieg unver-
meidlich. Aber auch jetzt noch fand ich beim General von Moltke aus
Verantwortlichkeitsgefühl heraus geborene Zweifel. Es bedurfte erst der
ausdrücklichen Versicherung dieses Nachrichtenoffiziers, daß er für die
Richtigkeit seiner Meldung persönlich eintrete, ehe sie endgültig Glauben
fand. General von Moltke gab sie durch Fernsprecher nach Potsdam an
den Kaiser weiter.
Dieser hatte seit dem 11. Juli mit der „Hohenzollern“ im Sonjefjord
bei Balholm vor Anker gelegen. Von einem Spaziergang an Bord
zurückkehrend, erfuhr er aus einer norwegischen Zeitung von Kriegs-
vorbereitungen in Serbien und von der Verlegung der serbischen Re-