50 Kriegsausbruch
winnen. Was hinter den kämpfenden Heeren vorging, schien mehr
Gegenstand politischer und wirtschaftlicher Art.
Das von keinem der vorhergehenden Kriege erreichte Ausmaß der
militärischen Operationen verlegte das Schwergewicht der Führung zum
großen Teil an die Front in die Hand hervorragender Heerführer, die
zumal in Deutschland durch den Generalstab zur verantwortungsfreu-
digen Initiative erzogen waren. Von jeher hatten die Generalstabsoffi-
ziere den praktischen Dienst bei den Truppenstäben dem Leben und der
mehr theoretischen Arbeit in Berlin vorgezogen. Ihre Besten befanden
sich daher auch beim Kriegsbeginn draußen in Generalstabsstellen an
der Front.
Der feste Mittelpunkt, der gerade unter diesen Verhältnissen not-
wendig gewesen wäre, fehlte. Der Kaiser, der in Erkenntnis der Bedeu-
tung einer Wehrmacht die Entwicklung des deutschen Heeres tatkräftig
gefördert hatte, dessen geschichtliches Bild dadurch einen ausgeprägten
militärischen Zug aufweist, war weden seinem Wesen noch seiner Ent-
wicklung nach Soldat. Ein früher Regierungsantritt hatte die militärische
Ausbildung unterbrochen. Im jungen Alter trat der Monarch an die
Spitze des Heeres. Der Generalstab erfreute sich wohl seines Ver-
trauens und genoß manche Auszeichnung, aber die Interessen des jungen
Kaisers gingen andere Wege als die stille und nüchterne Arbeit des
Generalstabs. Nur wenige Generalstabsoffiziere, fast nur solche, die
außer den rein soldatischen noch andere Fähigkeiten aufzuweisen hatten,
waren im Frieden in der Umgebung des Kaisers zu finden. Seine Teil-
nahme an den Manövern und strategischen Kriegsspielen des General-
stabs wiesen dem Monarchen eine Rolle zu, die nicht geeignet war, ihm
eine gründliche Kenntnis vom Wesen der Kriegführung zu vermitteln.
Sie diente eher dazu, eine gewisse Unterschätzung des Feldherrntums in
ihm zu fördern. Um so achtungsgebietender war es, daß der Kaiser sich
von der ersten Stunde des Krieges an den verantwortlichen militärischen
Führern unterordnete und sich bemühte, sich dem ihm fremden Wesen
des Krieges anzupassen. An der Seite des Kaisers im Großen Haupt-
quartier stand fast allein General von Moltke, ein persönlicher Freund
des Kaisers und seit 1906 Generalstabschef. War schon an sich die
Energie nicht die Stärke seiner im übrigen im Frieden und auch beim
Kriegsausbruch im Generalstab hochanerkannten Persönlichkeit, so war
diese bei Kriegsbeginn durch schleichende Krankheit noch vermindert.