Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band III. Völkerrecht. (3)

320 Fünftes Buch. Das Staatsgebiet. Das offene Meer. Die intern. Flüsse etc. 89. 
  
gestellt), Dieser letzteren Meinung steht indessen die Tatsache gegenüber, 
daß es unter Staaten singuläre Rechtsverhältnisse gibt, die auf den ersten Blick 
Analogien der privatrechtlichen Servituten aufweisen. Praktische Fälle der 
neuesten Zeit weisen juristische Streitfragen auf, die mit dem Institut der 
Staatsdienstbarkeiten auf das engste zusammenhängen ?. Im Völkerrecht 
fand der Begriff der Servitut durch Vermittlung des Staatsrechts, und zwar 
der eigenartigen publizistischen Verhältnisse des alten Deutschen Reiches 
Aufnahme). Die Bedingungen der Verwertung des privatrechtlichen Begriffs 
der Dienstbarkeit im Staatsrecht lagen hinwieder in den privatrechtlichen 
Elementen der damaligen publizistischen Rechtsverhältnisse — insbesondere in 
der Auffassung des Rechtes des Landesherrn an dem Territorium als Eigentums- 
recht —, ferner in der Bedeutung, welche das römische Recht für die Be- 
handlung des Staatsrechts erlangt hatte. Die Modifikation, welche sich in der 
landesfärstlichen Gewalt im Sinne der modernen Staatsgewalt vollzogen hatte, 
führte dahin, Beschränkungen der einheitlichen, universellen Staatsgewalt durch 
Rechte dritter Staaten als servitutes juris publici von der analogen privat- 
rechtlichen Servitut schärfer zu sondern). Die Bestimmung des dogmatischen 
Wesens der Staatsdienstbarkeiten in der reichen deutschrechtlichen Literatur 
über diesen Gegenstand zeigt aber die mannigfachsten Meinungsverschieden- 
heiten. Auch die völkerrechtliche Literatur bewegt sich in gegensätzlichen 
Ansichten 5), insofern (abgesehen von jenen, welche die Berechtigung der 
Staatsservitut als Institut des Völkerrechts in Frage stellen) einige die 
Staatsservituten als dauernde reale Beschränkungen der Staatshoheit im 
allgemeinen‘), andere als Beschränkungen der Gebietshoheit auffassen. 
Übereinstimmung herrscht bei den Ersteren darüber, daß es sich bei Staats- 
servituten um die Ausübung von Hoheitsrechten in fremdem Gebiet handelt. 
Einzelne bezeichnen auch Privatrechte in Verbindung mit den Hoheits- 
rechten als Gegenstand von Staatsservituten. Die herrschende Ansicht 
erblickt in den Staatsservituten Beschränkungen der Gebietshoheit. 
II. Die Verwertung des privatrechtlichen Begriffs der Servitut bezüglich 
der hier in Frage stehenden Verhältnisse ist nicht ausgeschlossen, da die Gebiets- 
hoheit trotz ihres publizistischen Charakters Ähnlichkeiten mit dem Eigentum 
aufweist.”) Als Imperium an dem Staatsgebiet äußert sich die Gebietshoheit 
  
1) So unter den neueren Schriftstellern v. Bulmerincg a. a. O., der die hier in Frage 
stehenden Rechte eines Staates gegenüber einem anderen lediglich auf Konzessionen zurück- 
zuführen sucht, welche sich die Staaten in Bezug auf die Ausübung ihrer Hoheitsrechte zu 
Gunsten der internationalen Gemeinschaft zu gewähren haben. Gegen diese Ansicht neuestens 
Clauß ı25ff. Im übrigen gegen die Ansicht Bulmerincq’s: Stoerk, HH U 591, 592. 
2) Z.B. die Frage des Fischereirechts der Franzosen an der Küste von Neufoundland 
— einer der Präzedenzfälle, welche Clauß in seiner Monographie zum Ausgangspunkte nimmt. 
3) Den Nachweis erbringt neuestens in überzeugender Weise Clauß a.a. 0. 34ff., wo 
die historische Entwicklung der Lehre von den Staatsdienstbarkeiten eingehend erörtert ist. 
4) Als Autor des Terminus servitutes juris publici weist Clauß 48ff. den Vitriarius 
(Instit. jur. publ. Rom.-Germanici, 1686) nach. 
5) Vgl. Näheres darüber bei Clauß 106ff. 6) Vgl. z.B. Heffter 2.2.0. 
7) Vgl.v.Seydel, Bayer. Staatsrecht I S. 270.
	        
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