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Genau so baten König Wilhelm und Bismarck um
Indemnität. Und das merkt euch besonders und sagt es den
Leuten, die immer noch meinen, der König und Bismarck
hätten doch ihr Unrecht eingestanden: König Wilhelm hat
ausdrücklich selber in eigener Person den Abgeordneten gesagt:
„Die Regierung hat im Verfassungskonflikt nur ihre Pflicht
getan: und wenn es wieder einmal so kommt, daß kein Budget-
gesetz zustande kommt, dann wird die Regierung wieder genau
ebenso handeln.“ Das ist doch keine Bitte um Verzeihung.
Aber die Leute, die da wirklich meinten, Bismarck hätte
die Verfassung gebrochen, die durften ihm dann auch nicht
verzeihen. Das geht wohl bei kleinen Kindern; denen kann
man verzeihen, wenn sie unartig gewesen sind; aber große
Verbrechen, Diebstahl, Raub, Mord, Verfassungsbruch, die
kann man doch nicht ganz ungestraft lassen. Das wäre eine
schöne Gerechtigkeit, wenn man jeden Verbrecher nicht nur
laufen ließe, sondern hoch verehrte, wenn aus dem Verbrechen
zufällig etwas Gutes entstanden wäre!
Denkt euch folgende Geschichte. Ein großes Haus brennt
nieder. Da sagt der Besitzer, nachdem das Feuer gelöscht ist:
„Gott sei Lob und Dank, daß das Pulver nicht explodiert ist;
es liegen viele Tonnen im Keller; und wenn die explodiert
wären, dann wären alle Nachbarhäuser vernichtet worden.“
Da tritt ein Mann vor und sagt: „Holla, das ist mein Ver-
dienst! Ich habe vorgestern Nacht das ganze Pulver gestohlen!
Nun bitte ich mir meine Belohnung aus.“ Dann würde man
ihm doch auch sagen: „Deine Belohnung wirst du im Zucht-
haus bekommen, denn du bist und bleibst ein Einbrecher und
ein Dieb, wenn du auch hier einmal etwas Nützliches an-
gestiftet hast.“
So hätten die Abgeordneten auch zu Bismarck sagen
müssen: „Du hast die Verfassung gebrochen, du trägst immer
noch das Kainszeichen des Eidbruchs an der Stirn! Das