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Jahre 1508 ein junger Professor in Wittenberg ein, den Gott zu
einem Rüstzeuge erkoren hatte, welcher das Evangelium Jesu Christi
vor Kaiser und Könige tragen und vor aller Welt ein gutes Be—
kenntniß ablegen sollte. Und dieser neue Professor war
Martin Luther.
30. (Friedrich der Weise.) Dr. Martin Tuther. Anfang
der Peformation.
Zwanzig Jahre nach Friedrich des Weisen Geburt erblickte
1483 in Eisleben ein Sohn des Bergmanns Hans Luther das
Licht der Welt, welcher in der Taufe den Namen Martin erhielt.
Der kleine Martin wurde frühzeitig zur Schule, zum Fleiß, sowie
überhaupt zu allem Guten angehalten. In seinem 14. Jahre be-
suchte er ein Jahr lang die damals sehr berühmte lateinische Schule
zu Magdeburg, ging aber dann nach Eisenach, wo sich die
fromme Witwe des Bürgers Konrad Kotta seiner besonders annahm.
Als achtzehnjähriger Jüngling bezog Luther 1501 die Universität
zu Erfurt, wo er die Rechtswissenschaften studirte. Mit seinem
eisernen Fleiße verband er die aufrichtigste Gottesfurcht, und er
sagte oft: „Fleißig gebetet, ist über die Hälfte studirt.“ In seinem
22. Jahre machte er eine Entdeckung, die auf seine ganze Lebenszcit
den größten Einfluß ausübte. Er fand nämlich auf der Universitäts-
Bibliothek zum ersten Male eine vollständige Bibel. Wie staunte
er über diese Entdeckung! Die Bibel wurde ihm von nun an sein
theuerster Schatz. Er las sie fleißig und studirte überhaupt so eifrig,
daß er nach vier Jahren Magister werden konnte und selbst öffent-
liche Vorlesungen halten durfte.
Unerwartet trat jetzt in Luthers Leben eine Wendung ein, die
ihn zu dem Werkzeuge vorbereitete, wozu ihn Gott in seiner Kirche
brauchen wollte. Im Sommer 1505 wurde Luther auf wunderbare
Weise vom nahen Tode errettet. Sogleich gelobte er Gott, ins Kloster
zu gehen, und sich hier, wie er damals noch dachte, das ewige Leben
durch klösterliche Heiligkeit zu verdienen, und in der That führte er
auch jenes Vorhaben am 10. Juli aus. Er meldete sich in Erfurt
zur Aufnahme in ein Augustinerkloster. Hier übte er sich täglich
im Wachen, Beten, Lesen, Fasten und in Ertragung körperlicher
Kasteiungen, um sich auf diese Weise Gottes Gnade zu erwerben;
aber sein Herz fand auf diesem Wege den Frieden nicht, nach welchem
es sich sehnte. Später erkannte Luther, daß uns nicht äußere Werke
vor Gott gerecht machen, sondern allein der lebendige Glaube an
unsern Herrn Jesum Christum. Nachdem Luther die Priesterweihe
empfangen, sollte er gar bald die Einsamkeit des Klosterlebens mit
einem öffentlichen Lehramte an der Universität zu Wittenberg ver-