Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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tauschen. Friedrich der Weise hatte dem Oberaufseher (General-= 
vicar) der Augustinerklöster im Meißnischen und Thüringischen, 
Dr. Staupitz, aufgetragen, ihm tüchtige Lehrer für seine neue Univer- 
sität vorzuschlagen. Dr. Staupitz schätzte den jungen Priester 
Martin Luther in Erfurt hoch und er berief ihn im Auftrage des 
Kurfürsten nach Wittenberg. Kaum hatte Luther seine Vorlesungen 
begonnen, so urtheilte ein gelehrter Mann (Dr. Mellerstadt) folgender- 
maßen über den neuen Professor: „In dem Manne ist ein hoher 
Geist, der steht fest auf der Bibel und auf Jesu Christi Worte, das 
kann niemand umstoßen." 
An Christum und sein Evangelium schloß sich Luther immer 
fester, zumal da er sich überzeugt hatte, daß in Rom bei dem Papste 
und seinen Priestern das Heil der Seele nicht gefunden werden könne. 
Zu dieser Erkenntniß trug eine Reise sehr viel bei, welche Luther 
im Jahre 1510 nach Rom unternehmen mußte. Mit tiefer Ehrfurcht 
betrat er den Sitz des Statthalters Christi, aber er erstaunte gewaltig, 
als er das unheilige Leben des Papstes Julian II. und der hohen 
Geistlichkeit kennen lernte. Auf der Rückreise von Rom ging in 
Luthers Seele ungemein viel vor. Was er in Rom gesehen und 
gehört hatte, stimmte mit den Worten der Schrift nicht überein: 
„Ein Bischof soll untadelig sein, als ein Haushalter Gottes.“ Mit 
immer größerem Eifer studirte Luther die Bibel, und dazu hielt er 
sich um so mehr verpflichtet, da er im Jahre 1512 Doctor der hei- 
ligen Schrift geworden, was damals eine weit wichtigere Würde war, 
als jetzt. Luthers Freund und Gönner, Dr. Staupitz, hatte bei 
dieser Gelegenheit gesagt: „Unser Gott wird bald im Himmel und 
auf Erden viel zu schaffen bekommen, darum wird er viele und ar- 
beitsame Doctoren haben müssen.“ Dieses prophetische Wort sollte 
gar bald in Erfüllung gehen, und merkwürdiger Weise trug der da- 
malige Papst Leo X. wider seinen Willen selbst dazu bei. Dieser 
Papst schickte nämlich mehrere Priester nach Deutschland, die den 
Christen Ablaß, d. h. Erlassung der Bußübungen und Vergebung 
der Sünden für Geld anboten. Solch ein Ablaßkrämer kam auch 
nach Sachsen. Es war dies der Dominikanermönch Johann Tetzel, 
welcher den Leuten vorspiegelte, er könne im Namen des Papstes 
auch die gröbsten Sünden vergeben, ja, sogar Sünden, die man erst 
noch zu vollbringen willens sei. 
Nach Wittenberg selbst wagte sich Tetzel nicht, wohl aber schlug 
er seinen Handel in Jüterbogk, acht Stunden von Wittenberg ent- 
fernt, auf. Nach Jüterbogk pilgerten denn auch verschiedene Ein- 
wohner Wittenbergs, kauften sich für ihr sauer verdientes Geld 
Ablaßbriefe und standen nun in dem Wahne, daß sie keine Buße zu 
thun nöthig hätten. Das ging Luther zu Herzen und unumwunden 
erklärte er den betrogenen Leuten, Vergebung der Sünden könne für
	        
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