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von ganzem Herzen. Diese Verbesserungen, meinte Georg, könnten
aber nicht von einem einzelnen Manne und noch dazu blos von einem
Mönche, sondern sie müßten vom Papste und von einer Kirchen—
versammlung ausgehen. Ebenso, meinte er, dürften diese Verbesserungen
nicht von den Gemeinden, sondern sie müßten vom Kaiser und von
den Fürsten eingeführt werden, sonst entstünden Unordnungen und
Störungen; aber Herzog Georg vergaß dabei die Hauptsache: Der
Papst wollte nichts von Verbesserungen wissen. Lange schon vor
Luther hatte man den Papst auf den Kirchenversammlungen um
Verbesserungen in der Kirche angegangen, er hatte sie auch versprochen,
aber dabei war es geblieben. Wenn Luther die Wahrheit ver-
kündigte und Mißbräuche und Irrlehren ans Tageslicht zog, so blieb
dies dennoch Wahrheit und wenn er früher auch nichts weiter, als
ein geringer Mönch war. Daß der gelehrte Herzog Georg dies
nicht einsehen konnte, kann man nur bedauern.
Ferner wollte der Herzog nur eine halbe Reformation. Die
gröbsten Mißbräuche und Irrthümer sollten nach seiner Meinung
zwar abgestellt werden, aber das heilige Abendmahl in einerlei Ge-
stalt, die Anrufung der Heiligen, die Messe, die Macht des Papstes
und dergleichen sollte auch ferner in Geltung bleiben. Luther, so
dachte der Herzog, ginge in seiner Reformation viel zu weit. Nament-
lich konnte er nicht billigen, was dieser von den guten Werken lehrte.
Im Jahre 1517 hatte Luther in der Schloßkapelle in Dresden vor
dem Herzoge gepredigt und hatte sich namentlich gegen sogenannte
gute Werke erklärt. Auf Grund der Schrift unterschied er zweierlei
gute Werke, und zwar äußere und solche, welche aus dem Herzen,
aus der Gesinnung, aus dem lebendigen, thätigen Glauben hervor-
gehen. Zu jenen rechnete er Fasten, Kasteiungen, Wallfahrten und
dergleichen, welchen er keinen Werth beilegte. Zu diesen rechnete er
Sanftmuth, Demuth, Geduld, Liebe r2c., und zwar Werke, an welchen
man den wahren Glauben erkennen müsse. So nothwendig diese
Werke seien, so mache uns doch Gott nicht um derselben willen selig,
sondern er schenke uns die Seligkeit aus Gnaden. Luther konnte
nichts anderes lehren, denn Christus legt auf die äußeren Werke
ebenfalls keinen Werth, wohl aber verlangt er Barmherzigkeit, weil
Gott barmherzig ist, Versöhnlichkeit, weil Gott uns vergiebt, setzt
aber ausdrücklich hinzu: Wenn ihr alles gethan habt, was euch be-
fohlen ist, so sprechet, wir sind unnütze Knechte, wir haben gethan,
was wir zu thun schuldig waren.
„Wenn dies den Leuten gepredigt wird“", meinte Georg, „so
werden sie ruchlos.“ Er hätte recht gehabt, wenn in der evangelischen
Kirche gelehrt worden wäre: Ihr braucht in eurem Glauben nicht
darzureichen Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit 2c., wenn
gelehrt worden wäre: Es werden Alle, die zu mir sagen: Herr!