Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Kriegsgericht verurtheilte den Gefangenen zum Tode: Kurfürst 
Johann Friedrich der Großmüthige sollte auf einer im Felde errichteten 
Bühne öffentlich enthauptet werden. Dieses Urtel war ein Hohn auf 
die deutsche Reichsverfassung. Nicht einmal der Kaiser, viel weniger 
diese Spanier und Italiener konnten einen deutschen Kurfürsten ver— 
urtheilen; hierzu hätten nach den deutschen Reichsgesetzen die anderen 
Kurfürsten, die man aber nicht befragte, ihre Zustimmung geben 
müssen. Dieses auf so ungerechte Weise gefällte Todesurtheil wurde 
dem Kurfürsten angekündigt, als er gerade mit seinem Mitgefangenen, 
dem Herzoge von Braunschweig, Schach spielte. Johann Friedrich 
hielt im Spiele ein wenig inne und vernahm sein Urtheil mit der 
größten Ruhe und Gottergebenheit. „Ich hoffe“, antwortete er, „der 
Kaiser werde sich hiebei nicht übereilen; sollte es aber dennoch sein 
Ernst sein, so bitte ich, daß man es mir zeitig und gewiß sagt, damit 
ich wegen meiner Gemahlin und meiner Kinder das Nöthige verfügen 
kann. Und nun“, rief er seinem Spielgenossen zu, „lasset uns fort— 
spielen, Herr Herzog!“ 
Neun Tage lang blieb der Kurfürst wegen seines Schicksals in 
Ungewißheit. Am 19. Mai nahm der Kaiser auf die Fürbitte mehrerer 
Fürsten das ausgesprochene Todesurtheil zurück. Zur Ehre des 
Kaisers wollen wir glauben, daß er es vielleicht gleich anfangs mit 
demselben nicht ernstlich gemeint haben mag. Zwar war das Todes- 
urtheil aufgehoben, aber was nachfolgte, war für den Gefangenen 
noch bitter genug. An demselben Tage wurde er gezwungen, für sich 
und seine Nachkommen auf die Kurwürde und auf seine Lande zu 
verzichten. Damit noch nicht zufrieden, verlangte auch der Kaiser, 
daß Johann Friedrich bis auf weiteres sein Gefangener bleiben sollte. 
Als der schwer geprüfte Kurfürst auch noch versprechen sollte, in 
Glaubenssachen sich den Beschlüssen der katholischen Kirchenversammlung 
in Trient, welche im December 1545 daselbst eröffnet worden war, 
zu unterwerfen, antwortete er mit unerschütterlichem Muthe: „Er 
wolle lieber die Kurwürde, Land und Leute, auch den Hals hergeben, 
als von Gottes Wort lassen.“ Diesmal ehrte der Kaiser solche 
Standhaftigkeit und befahl, diesen Punkt zu streichen und den Kur- 
fürsten damit nicht weiter anzufechten. 
Die ältere Linie aus dem Hause Wettin, die ernestinische, 
verlor sonach die Kurwürde Sachsens, welche der Kaiser dem 
Herzoge Moritz aus der albertinischen Linie übertrug. 
Moritz war nun aus der Reihe der kleineren Fürsten Deutschlands 
herausgetreten und sah sich auf einmal zum mächtigsten deutschen 
Fürsten erhoben. « 
Die Festung Wittenberg öffnete endlich dem Kaiser die Thore. 
Johann Friedrichs tief erschütterte Gemahlin, Sibylla, ver— 
suchte alles, den Kaiser gegen ihren unglücklichen Gemahl milder zu
	        
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