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früheren Religionsfreiheit zu verhelfen, und seine Bemühungen blieben
auch nicht ohne Erfolg. Böhmen gehörte dem damaligen deutschen
Kaiser Rudolph II. Im Jahre 1609 gab dieser Fürst den böhmischen
evangelischen Christen das feierliche Versprechen, ihnen von nun an
wieder völlige Religionsfreiheit gewähren und sie in ihren Rechten
mit den Katholiken gleichstellen zu wollen. Diese wichtige Urkunde
ist unter dem Namen „Majestätsbrief“ bekannt (s. unten). Unserm
Kurfürst gebührt das Verdienst, den Kaiser zu diesem Schritte, so
schwer er letzterem auch wurde, mit bewogen zu haben. Wie sehr sich
Christian über die Veröffentlichung des Majestätsbriefes freute, beweist
der Umstand, daß er in Sachsen ein allgemeines Dankfest feiern ließ.
So lobenswerth diese Tugenden des Kurfürsten auch waren, so
müssen wir es schmerzlich beklagen, daß ihm Eigenschaften abgingen,
welche gerade zu damaliger Zeit für Sachsens Fürsten ganz un-
entbehrlich waren: Es waren dies tiefere Einsicht und Entschlossenheit
und Festigkeit des Willens.
Zu dem jetzigen Rheinpreußen gehört ein Stück Land, welches
früher ein eigenes Herzogthum bildete. Es war dies das Herzogthum
Jülich-Cleve-Berg, wozu auch noch einige Grafschaften gehörten,
welche Ländereien größtentheils auf dem linken, zum kleinern Theil
auf dem rechten Rheinufer liegen und die sich durch die Fruchtbarkeit
ihres Bodens und durch den Gewerbfleiß ihrer Bewohner auszeichnen.
Im Jahre 1609 starb der Mannesstamm dieser herzoglichen Regenten-
familie aus. Schon Albrecht der Beherzte, der Stammvater der
albertinischen Linie, erhielt von dem damaligen Kaiser (Friedrich III.)
das Erbrecht in diesen Ländern, sobald der Mannesstamm dieser
Regentenfamilie erlöschen sollte. Ein späterer Kaiser (Magximilian)
bestätigte nicht blos dieses Erbrecht, sondern dehnte es auch auf die
ernestinische Linie aus. Als Johann Friedrich der Großmüthige
(im Jahre 1526) die Prinzessin Sibylle von Cleve heiratete,
wurde jenes Recht nicht blos erneuert, sondern es wurde sogar im
Jahre 1543 von Kaiser Karl V. mit der Zusage bestätigt, daß er
Sachsen mit Waffengewalt zu diesen Ländern verhelfen werde, sobald
ihm jemand dieses Recht streitig machen wolle.
Bis hierher war alles in schönster Ordnung und nichts schien
sicherer zu sein, als daß Sachsen einst in den Besitz dieser schönen
Länder unangefochten gelangen würde. Indes drei Jahre später (1546)
erklärte Karl V., daß in diesen Ländern auch die weibliche Linie
erbfähig sein sollte, sobald der Mannesstamm ausstürbe, und legte
durch diese Bestimmung zu einem Streite den Grund, der, genau
genommen, erst nach 69 Jahren beigelegt wurde.)
1 *) Der Hauptsache nach wurde dieser Erbfolgestreit im Jahre 1666
beendigt, seine gänzliche Beilegung erfolgte erst 1678.