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hatte sich der Angefallene nicht mit den nöthigen Waffen versehen, so
entspann sich zuweilen ein Kampf auf Leben und Tod.
Mohr erzählt uns in seinen „täglichen Erinnerungen aus der
sächsischen Geschichte“ einige derartige Beispiele. „Am 10. Februar 1662
wurden zwei Bergleute aus Pobershau in der Gegend von Marien—
berg von zwei Wölfen angefallen, erlegten aber beide glücklich mit
den Aexten, die sie bei sich trugen. An demselben Tage verfolgte ein
Wolf einen Fleischer, der Kälber nach Johanngeorgenstadt bringen
wollte. Weder des Mannes Vertheidigung, noch den Biß des Fleischer-
hundes fürchtete das Thier, sondern drängte sich vielmehr mit beiden
zugleich in die Stadt hinein. Dort, hinter einem Düngerhaufen ver-
borgen, lauert es, bis ein Knabe sorglos vorüber geht, springt dann
hervor und fällt das Kind wüthend an. Zwar eilen sogleich Menschen
zur Rettung herbei und verjagen glücklich den Wolf; allein vor der
Stadt fällt dieser nochmals einen Glashändler an, der ihn mit Mühe
abwehrt, und weiterhin einen Bergsteiger, den er stark am Fuße
beschädigt, der ihn aber auch mit seinem Beile niederhaut.
Bei Elterlein ward im dreißigjährigen Kriege ein Kuhhirt mit
seiner Herde von sechs Wölfen angefallen. Die Kühe vertheidigten
sich mit den Hörnern; aber der Knabe und eine Ziege wurden von
zwei Wölfen fortgeschleppt. Glücklicherweise war aber Grummeternte,
und viele Leute, die in der Nähe beschäftigt waren, eilten mit Stangen
und Rechen herbei und retteten das Kind, das der Wolf säuberlich
am Rocke getragen hatte; die Ziege aber war verloren.“
Zur Veranstaltung von großen Treibjagden hatte man damals
Jagdvorräthe, die unsere jetzigen Vorstellungen ebenfalls weit, weit
übertreffen. Im Jägerhofe zu Dresden befand sich z. B. im Jahre 1654
eine so große Menge Netze, daß man bei Treibjagden 15 Meilen
Weges einschließen konnte. Ferner zählte man hier in demselben
Jahre 37 Doggen und Bärenbeißer und 315 der ausgesuchtesten
Jagdhunde, unter ihnen 40 Saufinder und 50 Dachsschleifer. Zu
gleicher Zeit wurden hier über 40 Bären, ferner 25 Luchse, 1 Tiger
und 2 Löwen in besonderen Behältnissen aufbewahrt. Diese Thiere
wurden keineswegs zur Belehrung des Publikums gehalten, sie dienten
vielmehr zu einem ganz besonderen Schauspiele. Bei Fastnachts-
vergnügungen, bei festlichen Gelegenheiten am Hofe (Geburt eines
Prinzen, bei Vermählungsfeierlichkeiten), bei Anwesenheit fremder
fürstlicher Personen rc. veranstaltete der Hof großartige Thierhatzen.
Um die Art, sich damals ein Vergnügen, eine Erholung und Zer-
streuung zu verschaffen, näher kennen zu lernen, folgt hier die Be-
schreibung einer Thierhatz zu Fastnacht 1609 auf dem jetzigen Alt-
markte in Dresden.
„Der Hof und die anwesenden Gäste nebst hiesigem und fremdem
Adel zogen in allerlei Verkleidung in langen Reihen durch die Straßen;
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