Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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kein größeres Vergnügen, als zu birschen oder zu jagen. Zum Birschen 
gab es im 17. Jahrhunderte ungemein viel Gelegenheit. Der Wild— 
stand war damals ein ganz außerordentlicher, wobei freilich Folgendes 
in Anschlag zu bringen ist: Sachsen hatte damals (bis 1815) einen 
weit größeren Flächenraum; es besaß ferner in den verloren gegan— 
genen Landestheilen bedeutende Waldungen, die dem Wilde Raum 
genug zur Ausbreitung boten, und überdies war die Bevölkerung 
damals, namentlich in und nach dem dreißigjährigen Kriege, eine so 
geringe, daß die Waldbewohner unangefochten in ihrem Verstecke 
hausen und sich vermehren konnten. Da brummten und heulten in 
den Wäldern noch Bären und Wölfe; im dichten Gezweig lauerten 
spähende Luchse, von Ast zu Ast sprangen in weiten Sätzen wilde 
Katzen, grunzend wälzten sich gewaltige Eber in morastigen Ver— 
tiefungen, Iltisse stellten dem Hausgeflügel nach und soffen Hühner— 
und andere Vögeleier aus; ferner fand man an der Elbe Biber— 
kolonien und räuberische Fischottern. 
Johann Georg I., ein großer Jagdliebhaber, hatte daher viel- 
fache Gelegenheit, zur Verminderung des überhand genommenen Wild- 
standes das Seine beizutragen, und dies ist auch eifrigst von ihm 
geschehen. Hätte er ein einziges Stück Wild mehr erlegt, so betrüge 
die Zahl der von ihm in den Jahren von 1611 bis 1652 gebirschten 
Thiere gerade 105.000, unter welchen sich 98 Bären, 812 Wölfe'), 
4 Luchse, 145 Wildkatzen, 139 Iltisse, über 15.000 Hirsche, gegen 
10 000 Rehe, über 10 000 Hasen, über 28 000 Wildschweine, unter 
ihnen über 12 000 Jungschweine (Frischlinge), 29 Biber, 81 Fisch- 
ottern befanden. Rechnet man die von den Forst= und Jagdbeamten 
noch außerdem erlegten Thiere hinzu, so muß der Wildstand im 
17. Jahrhunderte eine Höhe erreicht haben, wie wir sie uns jetzt 
kaum vorzustellen vermögen. 
Auffallend ist die verhältnißmäßig geringe Zahl der Rehe und 
Hasen, welche bei uns die hauptsächlichsten Bewohner der Wälder 
und Felder sind, und es läßt sich der Grund dieser Erscheinung nur 
dadurch erklären, daß damals die große Menge der Raubthiere das 
Ihre zur Verminderung des pflanzenfressenden Wildes beitrug. 
Gleiche Jagdliebhaberei finden wir auch bei Johann Georg II., 
unter dessen Regierung in 21 Jahren gegen 100 000 Stück Wild, 
unter ihnen 2000 Wölfe und 200 Bären, erlegt wurden. Nicht 
selten geriethen damals die Waldbewohner im Kampfe mit den Raub- 
thieren in Lebensgefahr. Hungrige Wölfe schlichen ihnen nach und 
*) Zwischen Moritzburg und Weinböhla ist uns bis auf den heutigen 
Tag ein schönes Denkmal erhalten, welches an die Erlegung eines Wolfes 
von Johann Georg I. in offener Jagd im Jahre 1618 erinnert. Hier erhebt 
sich auf einer Wiese eine vierseitige 6—8 Ellen hohe steinerne Säule, auf 
deren Gipfel ein fast in Lebensgröße sitzender Wolf angebracht ist.
	        
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