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den thätigsten Antheil. Dies alles wußte und ehrte der Kurfürst.
Ebenso wußte er, daß ihr Herz in Schmerz vergehen würde, wenn
sie Kunde von dem Glaubenswechsel ihres heißgeliebten Enkels er-
halten sollte und deshalb bewahrte man fünf Jahre lang das Ge-
schehene als Geheimniß.
Hierzu kam noch ein zweiter Grund. Da die Mutter der beiden
Brüder Johann Georg IV. und Friedrich August I. die Tochter des
Königs Friedrich III. von Dänemark war, wozu damals auch Nor-
wegen gehörte, so wurde schon Johann Georg IV. zum Kronerben
von Dänemark und Norwegen erklärt und ihm das Recht zuertheilt,
diesen Titel vor aller Welt führen zu können. An dieses Recht der
sächsischen Fürsten erinnerte der König von Dänemark, als er ver-
nahm, daß man den Kurprinzen von Sachsen in die katholische Kirche
hinüberziehen wolle und hob ausdrücklich hervor, daß bei einem
Religionswechsel alle Ansprüche auf die dänische Krone er-
löschen würden.
Auch diesen Schmerz wollte der Kurfürst seiner Mutter ersparen.
Die fromme Frau schickte auf ihrem Sterbebette noch heiße Fürbitten
für ihren Enkel zu Gott und schloß, ohne sichere Kunde von dem
Glaubenswechsel desselben vernommen zu haben, ihre Augen im Tode.
Nun wurde das Geheimniß offenbart. Der Prinz bekannte sich 1717
in Wien öffentlich zur römisch-katholischen Kirche, genoß das heilige
Abendmahl in einerlei Gestalt und zeigte seiner Mutter in einem
Briefe seinen Religionswechsel an. Am 31. Oktober 1717 beant-
wortete sie denselben in so ergreifender Weise, daß man in jedem
Worte den tiefen Schmerz des Mutterherzens erkennen kann. In
allen evangelischen Ländern vernahm man diese Kunde mit Trauer
und in Sachsen herrschte eine allgemeine Bestürzung. In etwas
wurden die Gemüther bald wieder beruhigt. Sowohl der Kurfürst,
als auch der Kurprinz erklärten feierlichst, daß dieser Religionswechsel
nur ihre Personen beträfe und daß die evangelische Kirche in Sachsen
bei ihren Rechten ungekränkt verbleiben sollte. War auch zur
innigsten Betrübniß der Sachsen eine Scheidung zwischen Fürst und
Unterthanen in den heiligsten Angelegenheiten eingetreten, so hörte
doch die Liebe nimmer auf. Mit unerschütterlicher Treue blieben die
Sachsen fort und fort ihrem angestammten Fürstenhause ergeben und
mit gleicher Inbrunst, wie früher, schlossen sie dasselbe in ihr Kirchen-
gebet mit ein.
Tief bedauern müssen wir es, daß der Papst nicht ruhte, in
Sachsen den Samen der Zwietracht zwischen den beiden Religions=
parteien auszustreuen. Als man nämlich 1717 Anstalten traf, auch
in unserm Lande die 200jährige Jubelfeier zur Erinnerung an die
Reformation zu begehen, bestürmte der päpstliche Gesandte unsern
Kurfürsten mit Vorstellungen, diese Feier nicht zu gestatten. Dieses
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