Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— 268 — 
stellen und daß man in der Verehrung dieses Herrn immer auf seiner 
Hut sein wolle. Die Bewohner des neuen Ortes nannten sich evan- 
gelisch-lutherische Brüdergemeinde, und zwar aus folgendem 
Grunde: „Evangelisch-lutherisch“ wollten sie heißen, weil sie das 
Glaubensbekenntniß (und zwar das Augsburgische) der evangelisch— 
lutherischen Christen zu dem ihrigen machten; und „Brüdergemeinde“, 
weil sie sich untereinander als Brüder in Christo betrachteten. 
Unterscheidet sich die Brüdergemeinde dennoch von der evan— 
gelisch-lutherischen Kirche, so bezieht sich dies weniger auf die Lehre, 
sondern hauptsächlich auf die Verfassung des Gemeindelebens, auf kirch- 
liche Einrichtungen, die noch einfacher sind, als die unfrigen, u. dergl. 
Graf Zinzendorf richtete nach dem Muster Herrnhuts fast in allen 
Gegenden der Erde ähnliche Gemeinden ein. 
Dieser Mann wurde im Jahre 1700 in Dresden geboren und 
erhielt, nachdem er seinen Vater frühzeitig durch den Tod verloren 
hatte, von seiner gottesfürchtigen Großmutter eine sehr sorgfältige, 
streng christliche Erziehung. Später wurde dieselbe in Halle, und 
zwar von dem frommen August Hermann Francke in derselben Weise 
fortgesetzt. Der gute Same, der hier und im großmütterlichen Hause 
in Zinzendorfs jugendliches Gemüth ausgestreut worden war, brachte 
hundertfältige Frucht. Ihm war ein kaltes, todtes Christenthum, 
das nicht in Werken der Liebe thätig ist, zuwider. Der Glaube 
sollte Gesinnung, Wort und That, er sollte den ganzen Menschen 
durchdringen. Leider mußte Zinzendorf auch in Erfahrung bringen, 
wie man zu seiner Zeit wohl streng darauf hielt, „daß Gottes Wort 
lauter und rein gelehret werde“, daß man dieses Wort aber todt in 
den Herzen ruhen und es nicht aufgehen und Früchte bringen ließ. 
In seinem Eifer hätte er gar zu gern allen helfen und ihnen ein 
reges christliches Leben einhauchen mögen. Dieses heilige Feuer der 
Begeisterung litt ihn nicht zu Hause. Er legte die Hofrathsstelle, 
die er in Dresden bekleidete, nieder, ließ sich in Preußen als Prediger 
examiniren und trat in den geistlichen Stand. Jetzt ging er aus in 
alle Welt. Wir finden ihn bei den wilden Indianern in Nordamerika, 
wir finden ihn auf den westindischen Inseln, wir finden ihn in Ruß- 
land, Holland, England r2c. Ueberall predigte und lehrte er, stiftete 
neue Gemeinden, richtete sie ein, verbesserte bestehende Gemeinden und 
zeigte überhaupt eine Thätigkeit, die ans Unglaubliche grenzte. Und 
die neuen Gemeinden folgten in ihrer Wirksamkeit dem Beispiele 
ihres Gründers. In fernen Heidenländern wurden Missionsplätze 
errichtet und viele, „die in Finsterniß und Schatten des Todes 
saßen“, wurden zu dem Herrn ihrem Gott bekehrt. Gegenwärtig 
unterhalten die Brüdergemeinden über 70 Missionsplätze. 
Graf Zinzendorf verstand es, die Glieder seiner Gemeinde zu 
einem neuen, christlichen Leben zu erwecken, und dennoch erfuhr dieser
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.