Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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verleiten lassen, so würde er über seinen großen Gegner noch be— 
deutendere Vortheile errungen haben. So blieb es z. B. unerklärlich, 
daß er nach glücklichen Siegen den Feind auf der Flucht gewöhnlich 
nicht im geringsten beunruhigte. Bei Kolin konnte er die beinahe bis 
auf die Hälfte zusammengeschmolzene preußische Armee beim Retiriren 
noch bedeutend schwächen, allein Daun begnügte sich, zu Friedrichs 
Glück, mit dem errungenen Siege. 
Zwar ist der Krieg eine Geißel, unter welcher gewöhnlich alle, 
die sie mit ihren Schrecken heimsucht, bluten müssen, allein einzelne 
Gegenden und Ortschaften mit ihren Bewohnern haben dieselben oft 
in doppeltem Maße zu ertragen. Unser Zittau gehörte zu den 
Städten, welche die Verheerungen des Krieges an# härtesten erdulden 
mußten. In früherer Zeit blühte hier der Handel so bedeutend, daß 
man Zittau gewöhnlich Klein-Leipzig nannte. Vor allem erstreckte sich 
der Umsatz auf Tuch, Damast, Zwillich und Leinwand. Sehr 
natürlich, daß sich Zittaus Bewohner eines gewissen Wohlstandes er- 
freuten. Plötzlich sollte derselbe vernichtet werden. In Zittau besaßen 
die Preußen Magazine mit sehr bedeutenden Mehlvorräthen. Nach 
der Schlacht bei Kolin rückten die Oesterreicher heran, um jene Vor- 
räthe zu erbeuten. Obgleich die Besatzung nur aus 800 Preußen 
bestand, so wiesen sie doch die Aufforderung zur Uebergabe der Stadt 
entschieden zurück. Da pflanzten die Oesterreicher Kanonen vor den 
Thoren der Stadt auf. Zittaus Bewohner hielten diesen Vorgang 
nur für eine Maßregel, welche die Preußen in Furcht setzen sollte. 
Ein Bombardement der Stadt fürchteten sie von Bundesgenossen nicht, 
weshalb auch niemand auf Rettung seines Eigenthums Bedacht nahm. 
Wie furchtbar sollte die Enttäuschung sein! Bald öffneten 32 Feuer- 
schlünde ihre Rachen, die Erde erdröhnte, Pulverdampf erfüllte die 
Luft und vernichtend schlugen die Kugeln auf die Häuser nieder. 
„Flammengeprassel, Trommelton, Pferdewiehern, Kugelsausen, Balken- 
krachen erfüllte die Luft.“ Durch den Kanonendonner stieg das 
Jammergeschrei der Unglücklichen zum Himmel empor. Oddachlos, 
des größten Theils ihrer Habe beraubt, irrten sie, die Hände ringend, 
umher, bildeten doch 564 Häuser einen großen Schutthaufen, unter 
welchen sich auch die Hauptkirche der Stadt (die Johanniskirche) und 
das schon damals sehr schöne Rathhaus befanden. Nur 138, meisten- 
theils elende Häuser waren verschont geblieben. Vernichtet war der 
Wohlstand des thätigen Bürgers, ins Unglück gestürzt der Familien= 
vater mit den Seinen. 73 Menschen waren in Kellern, wo sie Schutz 
gesucht, erstickt, und 10 hatten unter einstürzenden Häusern und in 
den Flammen ihren Tod gefunden. Viele starben später an den Folgen 
des Schreckes und der Angst, so daß am Schlusse des Jahres die 
Todtenliste 1002 Personen aufzuführen hatte, unter welchen sich nur 
2 Soldaten von den 800 Preußen befanden. Der 23. Juli 1757,
	        
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