Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Dr. Jenner, die wichtige Entdeckung, daß die Mägde, welche beim 
Melken blatternkranker Kühe angesteckt worden waren, nur ein leichtes 
Unwohlsein empfanden und von den Menschenblattern verschont blieben. 
Diese Wahrnehmung führte ihn 1796 zu dem Verfahren, nicht Menschen- 
pocken-, sondern Kuhpockengift zur Einimpfung zu verwenden. 
Jetzt war es gelungen, der verheerenden Plage einen schützenden 
Damm entgegenzusetzen. In ganz Europa erregte diese neue Impfungs- 
art das größte Aufsehen. Sehr natürlich, daß sich auch viele Stimmen 
dagegen auflehnten, denn Gutes hat seit Anfang der Welt mit Hinder- 
nissen und Vorurtheilen zu kämpfen gehabt. Man nannte das Ein- 
impfen der Schutzblattern einen Frevel, denn der Mensch greife in 
den Gang der göttlichen Vorsehung ein. Freilich vergaßen alle die, 
die solches behaupteten, daß sie sich in vielen anderen Fällen sehr oft 
selbst ein kleines Uebel zufügten, um einem größeren vorzubeugen. 
Gerade damals ließen z. B. vollblütige Menschen sehr oft zur Ader, 
um einen Schlaganfall, einen Blutsturz 2c. zu verhüten. Wäre das 
Einimpfen der Schutzblattern ein Eingriff in Gottes Weltregierung 
gewesen — warum betrachtete man dann nicht auch jene Vorbeugungs- 
aderlässe als solche? 
In Sachsen kam Dr. Jenners Kuhpockenimpfung im Jahre 1801 
zum ersten Male in Anwendung. Zwei Aerzte machten mit ihren 
eigenen Töchtern einen glücklichen Anfang. Vier Jahre später (1805) 
erschien ein Gesetz, in welchem Sachsens Einwohnern das Einimpfen 
der Kuhpocken warm empfohlen wurde. Zwang legte man noch 
niemandem auf; man suchte die Leute von der Vortrefflichkeit der 
Kuhpockeneinimpfung zu überzeugen und überließ ihrem freien Willen 
die Anwendung. Dies genügte nicht allgemein. Die unteren Volks- 
klassen waren es namentlich, welche sich aus Mangel an Einsicht der 
Pockeneinimpfung widersetzten, und so mußte derselben durch gesetzliche 
Vorkehrungen mehr Vorschub geleistet werden. Wie segensreich diese 
gewirkt haben, beweist die Thatsache, daß z. B. Dresden 1805 bei 
einer Bevölkerung von noch nicht 60 000 Einwohnern 328 an Blattern 
Verstorbene zählte, während die jetzigen Sterbelisten, obgleich die Ein- 
wohnerzahl auf 200 000 angewachsen ist, nur einige derartige Todes- 
fälle aufzuführen haben. 
93. Johann Georg Pahlitzsch. — Johann Gottlieb Naumann. 
Wie weit es auch Bauern neben ihren ländlichen Beschäftigungen 
in der Kenntniß der Natur und in anderen Wissenschaften bringen 
können, hat uns schon früher Arnolds Leben gezeigt (Seite 233). 
Ein zweites Beispiel zu dieser Erfahrung liefert uns Johann Gceorg 
Pahlitzsch. Er war eines Bauern Sohn, und er blieb ein Bauer 
bis an sein Lebensende; aber von diesem Bauer lernten die größten
	        
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