Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Napoleon auch die sächsische Garde entlassen hatte, ritt er nach dem 
Rannstädter Thore zu. „Truppen aller Gattungen, Munitionswagen, 
Marketender, Gensdarmen, Kanonen, Kühe und Schafe, Weiber, 
Kutschwagen, Gesunde, Verwundete und Sterbende — alles hatte sich 
in wildem Gewirr so eng zusammengepreßt, daß sich Napoleon und 
sein Gefolge nur einzeln an der Seite des verworrenen Knäuels 
durchdrängen konnten.“ In der Mühle zu Lindenau diktirte er noch 
einige Befehle, wie es mit Leipzigs Vertheidigung weiter werden sollte. 
Diese wurde von den Franzosen aufs hartnäckigste fortgesetzt. Auf 
Verwenden des österreichischen Kaisers beschoß man die Stadt nicht 
mit Granaten, und so erging es ihr erträglicher, als man am Morgen 
hoffen konnte. Für die Dauer vermochten die Franzosen dem An- 
drängen der Verbündeten nicht zu widerstehen. Ein Thor nach dem 
andern wurde genommen. 
Bei Erstürmung Leipzigs entstand auch Blüchers Beiname 
„Vorwärts“. Blücher hielt am Gerberthore und kommandirte hier 
eine Abtheilung Russen. Diese verstanden nicht deutsch und er nicht 
russisch. In seiner Verlegenheit wußte er sich nicht anders zu helfen, 
als immer „Vorwärts! Vorwärts!“ zu rufen. Den Sinn dieses 
Zurufes schienen die Russen doch zu fassen, und nun schrie er in einem 
Athem: „Vorwärts! Vorwärts!“ Von jetzt an nannte man ihn, und 
zwar geschah dies zuerst von den Russen, „Marschall Vorwärts“. 
Es war mittags gegen 1 Uhr. Gegen 20 000 Franzosen 
befanden sich noch in der Stadt. Auf einmal machte sie ein dumpfer 
Knall zittern. Die steinerne Elsterbrücke, der einzige Ausgang für 
die Fliehenden, flog krachend in die Luft. In größter Verzweiflung 
stürzten sich Tausende in die kalten Fluten, um das jenseitige Ufer 
schwimmend zu erreichen. Viele fanden in den blutgefärbten Wellen 
ihren Tod, unter ihnen auch der Polenheld Poniatowsky. Ungefähr 
15.000 Franzosen sahen sich abgeschnitten und streckten das Gewehr. 
Durch welches Mißverständniß die zu frühe Sprengung der Brücke 
herbeigeführt wurde, ist nicht ermittelt. Die Russen waren durch das 
Rosenthal nach der südwestlichen Seite der Stadt vorgedrungen und 
erhoben von hier aus ihr Hurrahgeschrei. Die Verwirrung bei den 
Franzosen wurde dadurch noch vergrößert. Was Wunder, wenn die 
mit Sprengung der Brücke Beauftragten ebenfalls den Kopf verloren 
und ihr Werk zu unrechter Zeit ausführten. 
Während sich hier die Besiegten unter Angst und Schrecken beeilt 
hatten, Leipzig so schnell als möglich zu verlassen, so hielten von der 
anderen Seite her die Verbündeten mit Siegesfreude ihren Ein- 
zug in die Stadt. Von den fürstlichen Personen traf der Kron- 
prinz von Schweden zuerst in derselben ein. Er begab sich unmittelbar 
zu unserm Könige und unterhielt sich aufs freundlichste mit ihm. 
Einige Zeit später bewegte sich ein anderer festlicher Zug daher. 
Geschichte Sachsens. 26
	        
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