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unberührt ließen. Hierzu kam, daß gewisse Leute die Unzufriedenen
noch mehr aufstachelten, daß sie vieles entstellten und übertrieben.
Absichtlich schürte man das im Stillen glimmende Feuer der Un—
zufriedenheit immer mehr an, und man machte sich kein Gewissen
daraus, oft die unlautersten Mittel in Anwendung zu bringen.
Namentlich rief man das alte Mißtrauen zwischen Evangelischen
und Katholiken wieder wach. Theilweise gaben die evangelischen
Behörden, ohne es vielleicht zu beabsichtigen, selbst Veranlassung hierzu.
Am 25. Juni 1830 waren nämlich dreihundert Jahre seit
Uebergabe der Augsburgischen Confession verflossen. Mit dem größten
Mißvergnügen nahm die evangelische Bevölkerung Sachsens wahr,
daß manche Behörden gar keine ernstlichen Anstalten zur herannahenden
Jubelfeier trafen. Sollte dies wirklich hier und da aus Rücksicht
gegen den katholischen Landesvater geschehen sein, so wäre dies ein
höchst tadelnswerthes Verfahren gewesen; denn dieser war weit ent-
fernt, die kirchlichen Freiheiten seiner evangelischen Unterthanen zu
beschränken; er sprach sogar selbst seine Verwunderung über Unter-
lassung mancher Festlichkeiten aus.
Am Jubelfeste selbst fand jene Unzufriedenheit namentlich in
Leipzig und Dresden neue Nahrung. In jener Stadt beabsichtigten
die Studenten in ihren Uniformen einen Festzug zu veranstalten, was
die Polizei unklugerweise verbot. In Dresden murrte man darüber,
daß bei der veranstalteten Illumination das Rathhaus nicht mit
erleuchtet war. Auf einmal verbreitete sich unter der auf den Straßen
wogenden Menge das Gerücht, daß Katholiken zum Fenster heraus
gemeine Gassenlieder gesungen hätten, und daß man Luthers und
Melanchthons Büste habe entehren wollen, und dies reichte hin, die
Menge so zu erhitzen, daß es zu tumultuarischen Auftritten kam. Da
der Polizei die Herstellung der Ruhe nicht gelang, so mußte das Militär
einschreiten. Noch ernsterer Natur waren die Vorgänge in Leipzig;
doch nach einiger Zeit beruhigten sich die Gemüther scheinbar wieder.
Wie aber die unter der Asche glimmenden Funken oft nur eines
kleinen Luftzuges bedürfen, um zur hellen Flamme aufzulodern, so
verhielt es sich auch mit dem gedämpften Feuer des Aufruhrs. Zu
Anfang des Monats September kam es zu neuen, und zwar ernsteren
Ausbrüchen. In Dresden erstieg man das Rathhaus und warf
verschiedene Schriften und Geräthschaften auf die Straße und ver-
brannte sie. Hierauf drang man in das Polizeihaus ein und zerstörte
dies größtentheils.
Diesem Thun und Treiben mußte natürlich Einhalt gethan
werden, und die Bürgerschaft erbot sich aus eigenem Antriebe, für
Wiederherstellung der Ruhe Sorge zu tragen. Alle wohlgesinnten
Bürger, Männer und Jünglinge schlangen um den linken Arm eine
weiße Binde und eilten in das Zeughaus, um sich zur Dämpfung