Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Im Jahre 1835 erschien ein Gesetz, welches jener Wahrheit 
entsprach und das Stadt- und Landschulwesen weit genauer ordnete, 
als es früher geschehen war. In demselben wurde unter anderem 
festgesetzt, daß jedes Kind in der Regel die Schule von seinem 6. bis 
zu seinem 14. Lebensjahre, im Sommer, wie im Winter, ununter- 
brochen zu besuchen hat. Nur bei kränklichen, gebrechlichen und geistes- 
schwachen Kindern ist eine Ausnahme zu machen. Kein Kind soll 
zur Confirmation zugelassen werden, sobald es nicht im Lesen, 
Schreiben und Rechnen wohlgeübt ist und eine deutliche Kenntniß des 
Christenthums und der Bibel erlangt hat. Vor Entlassung aus der 
Schule darf kein Knabe als Handwerkslehrling angenommen werden. 
Blos bei Schornsteinfegern ist eine Ausnahme gestattet. Diese können 
nach vollendetem 10. Lebensjahre als Lehrling eintreten. Ebenso 
kann bei großer Armuth ein Kind in Dienst gehen, nur muß es 
ebenfalls das 10. Lebensjahr erreicht haben und darf, was auch von 
dem Schornsteinfegerlehrling gilt, nicht ohne Schulunterricht bleiben. 
Ohne dringende Ursachen darf kein Kind die Schule versäumen. 
Treten Schulversäumnisse ohne Noth ein, so muß die Ortsschulbehörde 
gegen die Eltern oder sonstigen Erzieher einschreiten. Fruchten Er- 
innerungen nichts, so werden die Schuldigen mit Geld= oder mit 
Gefängnißstrafe belegt. Versäumt ein Kind ohne Wissen und Willen 
seiner Eltern den Unterricht, so hat der Lehrer eine Schulstrafe zur 
Besserung des Kindes anzuwenden. 
Bis zum Jahre 1835 bestand hier und da auf dem Lande eine 
recht unvollkommene Schuleinrichtung. Waren in ein Kirchdorf viele 
Ortschaften eingepfarrt, so besaßen manche von den letzteren eine 
eigene Schule. Die in solchen Gemeinden angestellten Lehrer hießen 
„Katecheten“ oder auch „Kinderlehrer"“. Ihre Schulen befanden sich 
meistentheils in einem sehr mangelhaften und kümmerlichen Zustande. 
An vielen Orten, namentlich in kleineren Dörfern, fehlte es nämlich 
an einem Schulhause. Der Reihe nach mußten die Bauern, gewöhn- 
lich eine Woche lang, die Schulkinder in ihre Stube aufnehmen. In 
demselben Raume, in welchem die Hausfrau und die Mägde die häus- 
lichen Arbeiten verrichteten, unterwies der Lehrer die Dorfjugend. 
Daß es dabei nicht ohne vielfache Störungen abging, daß es z. B. 
beim Schreiben sehr oft an zweckmäßigen Plätzen fehlte, und daß für 
die Lehrmittel oft kein Raum vorhanden war, liegt auf der Hand. 
Außerdem hatte derselbe Bauer, dessen Stube zum Lehrzimmer benutzt 
wurde, den Lehrer gewöhnlich auch in derselben Woche zu beköstigen. 
An vielen Orten war ferner der Kinderlehrer von der Gemeinde so 
abhängig, daß er von dieser wieder entlassen werden konnte. 
Durch das Schulgesetz von 1835 wurde diesen höchst unvoll- 
kommenen Einrichtungen mit einem Male ein Ende gemacht. Jede 
Schule wurde zu einer selbstständigen Anstalt erhoben, in welcher 
Geschichte Sachsens. 28
	        
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