Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Menschen massenhaft hinraffte. Wie sie entstanden, wußte man nicht 
gewiß. Man glaubte anfangs, daß sie von Heuschrecken herrühre, 
welche in Asien in ungeheurer Menge gestorben waren und deren 
Tod die Luft verpestet hatte. Daß dies eine Ursache mit gewesen 
sein kann, ist nicht unwahrscheinlich; indes hatte sicherlich noch manches 
Andere zur Entstehung dieser Seuche beigetragen. Asien war nämlich 
vor Ausbruch dieser verheerenden Krankheit von noch anderen Plagen 
heimgesucht worden. Furchtbare Wasserfluten, Erdbeben und Orkane 
hatten zehn Jahre hindurch alles in Furcht und Schrecken gesetzt. 
Auch über einen Theil Europas und sogar über das südliche 
Deutschland erstreckten sich diese Unglücksfälle und wurden die Ur— 
sache neuer Noth und neuen Elends. Es entstand Mißwachs, Theue— 
rung und Hungersnoth, mit Einem Worte, Elend über Elend. Dies 
Alles zusammengenommen hatte sicherlich den Ausbruch der furcht- 
baren Pest vorbereitet. 
In Europa trat sie zuerst in Griechenland, in Italien und 
Frankreich auf und griff wie eine verheerende Feuersbrunst immer 
weiter um sich. Endlich überschritt sie auch Deutschlands Grenzen 
und zog mit allen ihren Schrecken verheerend und verderbend in 
unser Vaterland ein. Da herrschte Furcht und Angst bei Alt und 
Jung, bei Reich und Arm, bei Hohen und Niedrigen. Fürsten, Obrig- 
keiten, Bürger und Landleute zitterten. Und wer sollte Schuld an 
diesem fürchterlichen Unglücke sein? Niemand anders, als die armen 
Juden. Da hieß es, sie hätten die Brunnen vergiftet, um die Christen 
auf der ganzen Erde zu vernichten. Unter Jammern und Thränen 
betheuerten die Unglücklichen ihre Unschuld. Man blieb taub gegen 
ihre Versicherungen und selbst der Umstand, daß die Pest die Juden 
ebenso gut wie die Christen ergriff und Tausende von ihnen hinraffte, 
brachte die bethörte Menge zu keiner besseren Einsicht. 
Dem unwissenden Volke jener Zeit hätte man diese Verblendung 
allenfalls noch verzeihen können, daß aber die Obrigkeiten diese Ver- 
folgungen zuließen, ja sie geradezu anordneten, bleibt doppelt be- 
klagenswerth. Man spannte die armen Juden auf die Folter, man 
trieb sie schaarenweise ins Feuer und marterte sie elendiglich zu 
Tode. Und dies geschah nicht etwa blos in Italien und Spanien, 
sondern selbst in unserm Lande. So wurde z. B. in Dresden die 
Hinrichtung der Juden von der Obrigkeit ausdrücklich angeordnet, 
die sich von hier aus sehr bald auf andere Städte des Meißner= und 
Thüringerlandes erstreckte. Ueberall fiel das Volk wuthentbrannt 
über die Unglücklichen her und diejenigen, welche sich Christen nannten, 
waren härter als ein Stein gegen Mitleid und Erbarmen. 
Allerdings war die Pest von so furchtbarer Natur, daß ihr ver- 
heerendes Auftreten alle Vorstellungen überstieg, und daß der bloße 
Gedanke an sie die Menschen schon erzittern machte. Ergriff die
	        
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