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Gebräuchen, welche täglich zweimal geübt wurden. Die Büßenden
warfen sich mit ihrem Angesicht auf die Erde und der Vorsteher der
Gesellschaft schritt alsdann auf ihren Leibern dahin wie auf einer
Straße, wobei er die Büßenden mit seiner Geißel berührte.
Auf das unwissende Volk machte diese Art der Bußübungen den
tiefsten Eindruck. Das Ansehen der Kreuzbrüder stieg bis zur Ver—
ehrung. Tausende strömten ihnen zu. Man nahm die Kreuzbrüder
gastfreundlich auf, bewirthete sie aufs beste und erkannte in ihnen
Heilige. Eine Zeit lang sah die Obrigkeit diesem Unwesen ruhig zu,
als man aber zu der Einsicht gelangte, daß aus diesen Mißbräuchen
die größte Unordnung entstehen mußte, so verbot man diesen Unfug
alles Ernstes. Gegen Unwissenheit und Aberglauben ist aber schwer
anzukämpfen. Hier ist Unterricht und Belehrung das beste Mittel.
Die wohlgemeinten Verbote der Obrigkeit wurden nicht beachtet und
das Unwesen griff ebenso wie der schwarze Tod um sich. Da mußte
man endlich die strengsten Verbote erlassen, ja sogar mit dem Tode
drohen. Und so geschah es denn, da alle Mittel fruchtlos blieben,
daß in Thüringen an einem Tage 91 Kreuzbrüder verbrannt wurden.“)
Endlich lösten sich diese Verbindungen auf, und es ist seit dieser Zeit
etwas Aehnliches nicht wieder vorgekommen.
17. Wichtige Einrichtungen in Themnitz vor 500 Jahren.
Chemnitz mit seinen fast 90 000 Einwohnern gehört jetzt mit zu den
berühmtesten Fabrikstädten der Erde; namentlich ist die Baumwollen-
spinnerei, die Strumpfwirkerei und die Kattundruckerei weltberühmt.
Den Ruf einer wichtigen Fabrikstadt genießt Chemnitz schon seit Jahr-
hunderten. Es läßt sich sogar nachweisen, daß diese Stadt schon vor
800 Jahren ansehnliche Leinweberei betrieb. Anfangs wurde die
Leinwand meistentheils in schmalen Streifen gewebt und alsdann
ungebleicht verbraucht, ungefähr so, wie bei uns die graue Leinwand
zu Getreidesäcken und dergleichen. Weiße Leinwand lieferte damals
nur Bayern und natürlich wurde diese in vielen Fällen der Chem-
nitzer vorgezogen.
Wie es scheint, verstand man auch in Chemnitz das Bleichen,“)
vermuthlich fehlte es aber an Leuten, welche diese Beschäftigung ernst-
lich angriffen und große Bleichen anlegten. Man begnügte sich lange
7) Es geschah dies zwar fünfzehn Jahre nach 1400; ist aber hier zur
Charakterisirung jener Zeit und zur Vervollständigung des Bildes mit an-
gezogen worden.
**) Daß das Bleichen, wie man öfters liest, in Chemnitz in der Mitte
des 14. Jahrhunderts erfunden worden sei, ist nicht richtig. Lange schon
vorher wird in Chemnitzer Urkunden ein „Bleichamt“ erwähnt.