Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

— VII — 
Hierauf ist einfach zu bemerken: Wohnt nicht fast jedem 
Menschen eine unauslöschliche Liebe zu seinem Geburtsorte, 
und wäre es auch nur ein kleines und unbedeutendes Dörflein, 
inne? Wenn diese Liebe Tausende und aber Tausende bis ins 
höchste Alter hinauf begleitet, wird denn dadurch die Liebe 
zum Geburtslande benachtheiligt? Schließt hier das Eine das 
Andere nicht aus, warum sollte eine andere Erscheinung zu Tage 
treten, wenn der Maßstab erweitert wird? Sollte ein echter 
Sachse, ein echter Württemberger r2c. nicht auch ein echter Deutscher 
sein können? Kann jemand im Großen treu sein, wenn er es 
nicht im Kleinen ist? 
Zur Förderung dieses höheren Zieles bedarf es nicht der 
Anwendung außerordentlicher Mittel. Gesuchte, wortreiche 
Deduktionen, die bei jeder Gelegenheit, wenn auch mit einigen 
Varianten, wiederkehren, thun es nicht. In der Regel schwächt 
sich der Eindruck nach und nach ab. Gleichgiltigkeit ist die 
endliche Frucht. Nur was vom Herzen kommt, findet den Weg 
wieder zum Herzen. Die eigene Ueberzeugungstreue, die das 
todte Wort durchdringen und beleben muß, wie die Seele den 
Leib, ist der Talisman, der seine Kraft nachhaltig bewährt. 
„Wie soll ich mich aber den Kindern gegenüber verhalten“ — 
könnte man fragen — „wenn ich in der Geschichte auf Personen 
stoße, deren Denk= und Handlungsweise verwerflich ist, oder 
auf Zustände, deren Unvollkommenheiten offen zu Tage liegen? 
Soll ich in solchen Fällen, um die Vaterlandsliebe nicht zu 
untergraben, bemänteln und beschönigen?“ Da müßte es traurig 
um das Wesen dieser Liebe stehen, wenn sie nur durch solche 
Stützen zu halten wäre. Zu einem Urtheil über die Moralität 
und Unmoralität einer Handlung leitet ja auch der Religions= 
unterricht an, sollte dies dem Geschichtsunterricht fern gehalten 
werden müssen? Mit nichten. Wie fast immer, so kommt es 
auch bei dem Geschäfte des Kritisirens auf das Wie dieser 
Thätigkeit an. 
Zunächst vermeide man allen Sarkasmus, überhaupt alle 
absichtliche Tadelsucht. Ebenso fordere man Kinder nicht auf, 
über Männer abzuurtheilen, deren Denk= und Handlungsweise 
sie weder nach ihren Gründen, noch nach ihren gegenwärtigen 
und zukünftigen Erfolgen genügend beurtheilen können. Nichts 
ist widerwärtiger und unnatürlicher, als wenn Kinder in 
altkluger Weise über historische Personen, sei es beim Unterrichte 
in der biblischen oder in der Weltgeschichte, zu Gerichte sitzen. 
Das ist ein Eingriff in das Heiligthum der Kindesnatur, deren 
pietätvolle Arglosigkeit möglichst lange unverletzt bleiben muß. 
Dann aber — und dies ist eine Hauptsache beim Geschichts-
	        
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