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wird. Das ist gerade wie beim Reiten. Sie können einem
Reiter in der Bahn die besten Hilfen zurufen; wenn er es
nicht in sich hat und sie nicht der Natur seines Pferdes ge-
mäß ausführt, wird es ihm nichts nützen, und schließlich wird
ihn der Gaul abwerfen.“
Die Lektüre der kürzlich in Paris erschienenen Briefe Na-
poleons I. ') erregte Bismarcks Interesse; er las oft ganze
Stellen daraus vor, und die Bemerkungen, die er daran
knüpfte, waren in geschichtlichem, in militärisch-politischem, wie
in moralischem Sinne von unvergleichlicher Prägnanz und
Tharakteristik.
Die Kritik, die bei Besprechung der Vorgänge in Süd-
Afrika auf Chamberlain fiel, war mehr drastisch als schmeichel-
haft für diesen. Immer wieder hob Bismarck den Unterschied
hervor, der zwischen Charakter und Wesen der Engländer
als Privatpersonen und der englischen Politik besteht. „Der
einzelne Engländer ist anständig, achtbar und zuverlässig, der
Vorwurf der Lüge ist der schwerste, den man ihm machen
kann. Die englische Politik hingegen ist von Allem das
Gegenteil; ihre hervorstechende Eigenschaft ist die Heuchelei,
sie wendet alle Mittel an, die der einzelne Engländer verab-
scheut. In Frankreich ist ja die Politik zu Zeiten auch nicht
sehr wählerisch in ihren Mitteln gewesen, namentlich schwächeren
Volksstämmen im Auslande gegenüber ist sie ebenso grausam
und brutal verfahren, wie die englische; Gewalttaten und
*) Es handelt sich dabei um Briefe, welche seinerzeit bei
den früheren Ausgaben der nachgelassenen Schriften Napoleons I.
als für die Oeffentlichkeit nicht geeignet ausgeschieden worden
sind. Sie zeigen Bonaparte nicht nur in seinen glänzenden Außen-
seiten, sondern auch als rücksichtslosen brutalen Gewaltmenschen.
Ein Freund des Bonapartismus ist es jedenfalls nicht gewesen,
der das Buch herausgegeben hat. Stellen wie die „faites fusiller
quatorze hommes“, in Antwortschreiben an Kommandeure kehren
stereotyp und als nächstliegendes Auskunftsmittel der Napoleon'schen
Staatskunst wieder.