Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 27. und 28. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. Fünftes bis neuntes Buch. (27)

Friedrich Wilhelm I. und die Politik von 1715—22. Alberoni. 13 
Erbrecht in Spanien selbst nach langem Kampfe zur Geltung kam, 
Philipp V aus dem Hanse Bourbon sich für bestimmt hielt, die Ge- 
rechtsame seiner Vorgänger auch in den Nebenlanden wiederherzustellen. 
Eine Zeit lang trat bei dem Schwanken der großen europäischen Ent- 
scheidungen unter dem Einfluß von Frankreich dies Bestreben zurück. 
Seit der zweiten Vermählung Philipp V aber mit Elisabeth von 
Parma regte es sich um so stärker, da die Kinder aus dieser Ehe die 
Rechte des Hauses Farnese den Ansprüchen von Spanien hinzufügten. 
Als der Ausdruck dieser Tendenz kann Alberoni betrachtet werden, 
selbst ein Italiener, der Vertraute der neuen Königin, und durch 
dieses Vertrauen zu der höchsten Autorität in Spanien emporgekom- 
men. Er ließ sich angelegen sein, die bereits begonnenen Reformen 
nach Kräften zu fördern; bei den Zeitgenossen gilt er als der Mann, 
der dem Königreich Spanien wieder Nerv gegeben und eine eigenthüm- 
liche unabhängige Politik möglich gemacht habe; aber diese Politik lief 
den durch die Tractate festgesetzen Machtverhältnissen entgegen. 
Alberoni faßte besonders die Emancipation Italiens von Oester- 
reich ins Auge. Ob er der originale Urheber dieser Entwürfe, die 
ihm einen Namen in der europäischen Geschichte gemacht baben, ge- 
wesen ist, möchte man fast bezweifeln. 
Man erfährt, daß der Fürst von Siebenbürgen, Franz Rakoczy II, 
der sein ganzes Leben hindurch Ungarn und den Orient im Sinne 
des französischen Hofes in Bewegung gesetzt hatte, nachdem er aus 
Ungarn verjagt, unter anderem Namen in Paris aufgenommen, sich 
bereits 1714 mit dem Gedanken getragen hat, eine italienische Ligue, 
die zugleich eine europäische sein sollte, zu diesem Zwecke zu bilden. Er 
rechnete dabei auf Savoyen und Venedig, sowie auf die Waffen der 
Türken, zugleich auf die Unterstützung von Spanien und von Frank- 
reich: mit König Ludwig XIV stand er nach wie vor in vertrau- 
lichen Beziehungen; er lebte eigentlich von seiner Gnade. Ich weiß 
nicht, ob nicht die Vermählung Philipp V mit der Prinzessin von 
Parma eben aus dieser Rücksicht von dem König gutgeheißen wurde. 
Diese Fürstin hat dann in der Durchführung der Ansprüche ihres 
Hauses den vornehmsten Zweck ihres Lebens gesehen 1). Rakoczy 
hatte sich nach dem Tode Ludwig XIV nach Madrid begeben ?. 
1) Mémoire de Clément an Kaiser Carl VI. Wien, 22. Septbr. 1715, 
in den Font. Rer. Aust., 2. Abth., XVII, 2. Bd., S. 14. 
2) Engel, Geschichte des Ungarischen Reiches und seiner Nebenländer, V. 
S. 267.
	        
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