Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

10 Zehutes Buch. Erstes Capitel. 
gen; nie hörte man ein unwahres Wort von ihm; Aufrichtigkeit und 
Güte leuchteten aus seinen Augen hervor. Hätte er eben so viel 
Energie und eine ungebrochene Lebenskraft besessen, seine Erhebung 
hätte an sich noch einmal ein bedeutendes Ereigniß für Deutschland 
werden können. 
Es war schon eine unendlich wichtige Veränderung, daß das 
Haus Oesterreich nicht mehr das Kaiserthum inne haben, und der Sitz 
der wichtigsten Reichsgeschäfte nicht mehr in Wien sein sollte. Man 
hoffte, daß damit mannichfache Beschwerden über die bisherige Ab- 
hängigkeit der Reichsverwaltung von dem Hofe gehoben werden 
würden. 
Hauptsächlich waren diese gegen den Reichshofrath gerichtet, denn 
er unterdrücke das Kammergericht, mißachte die wohlhergebrachten Pri- 
vilegien, ersinne kaiserliche Reservatrechte, welche man nicht kenne, 
mische sich in Dinge, die ihn im Grunde nichts angehen, z. B. in 
Lehnssachen; statt sich an die Stände zu wenden, denen die Erklärung 
der Gesetze zukomme, denke er nur darauf, den Kaiser auf feine 
Meinung zu bringen. Aber auch das Directorium der reichsständischen 
Geschäfte, welches nur die Stände vertreten solle, habe sich viel zu 
nahe an den kaiserlichen Hof angeschlossen: nichts Anderes werde vor- 
getragen, als worüber der Reichserzkanzler erst mit diesem überein- 
gekommen sei. Kein Gesandter wage sich beiden zusammen zu wider- 
setzen: mit einem, der das versuche, werde jeder Verkehr abgebrochen 
und sein Hof der Sache gar bald müde gemacht. Daher komme es 
denn, daß die Beistimmung des Reiches bei den auswärtigen An- 
gelegenheiten eine reine Formel geworden sei: man ernenne Fürsten, 
welche dazu nicht tauglich seien, und suspendire andere ohne hin- 
reichenden Grund; man achte die Beschwerden des evangelischen Kör- 
pers für nichts. 
Der Reichstag sei alle die achtzig Jahre, daß er bestehe, immer 
nach kaiserlichen Interessen geleitet worden: er sei ein Congreß= und 
Bewilligungstag und habe den Charakter einer reichsständischen Ver- 
sammlung nicht mehr ½). Besser man löse ihn auf und berufe einen 
neuen in mehr parlamentarischer Forin. 
1) In einer Reichstagsschrist vom 14. Febr. 1741 heißt es: „Der achtzig- 
jährige Reichstag sei von seinem Zwecke ganz abgekommen; statt der dahin 
remittirten wichtigen Angelegenheiten pacis osnabr. VIII, 3, habeantur und 
Reichsabschied 25 1654 seien fast gar leine andere Sachen vorgekommen, als 
welche des Kaisers Interesse und Convenienz betreffen; man habe einen status 
mere monarchicus einzuführen gesucht; den Ständen mit ihren Anliegen fast
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.