Drittes Capitel.
Coccejische Justizresorm.
Den Werth der Justizreform, welche Friedrich II im Jahre 1746
und den folgenden durch Samuel Cocceji auszuführen unternahm, hat
man meistens in dem Versuch gesehen, ein neurs Gesetzbuch für das
bürgerliche Recht zu gründen. Es war seit vielen Jahrhunderten der
erste, zu dem es wieder kam; die Zeitgenossen begrüßten ihn, wie es
die darauf geprägte Medaille ausspricht, als eine wahre Rechts-
verbesserung, und mannichfaltige Nachfolge hat er gefunden. Es
wäre hier nicht am Ort, zu untersuchen, ob der Zweck, ein deutliches
und verständliches Landrecht zu gründen, damit wirklich erreicht wor-
den ist, oder ob das coccejische Gesetzbuch, wie man ihm vorwirft, in-
dem es sich dem römischen und dem kanonischen Rechte entgegensetzen
will, doch von denselben sich allzu abhängig zeigt und das wahre Be-
dürfniß unerfüllt läßk; wenngleich in sich nicht ohne Verdienst, hat
es sich doch nicht behaupten können ½).
Die unternommene Reform hatte nun aber noch eine andere
Seite, auf der sie nützlich, ja unerläßlich war. Nicht sowohl das
Recht war verderbt, als die Pflege des Rechts, und die Menschen,
welche dieselbe handhaben sollten.
Es erscheint wie eine Barbarei, wenn es in einer Verordnung
Friedrich Wilhelms heißt: daß man bei den Untergerichten von Berlin
1) Wenn die Bestimmungen nicht allemal der erkannten Theorie ent-
sprechen (Bornemann, System des Preußischen Civilrechtes I, 106), so rührte
das daher, daß man die Verfassungen und Gewohnheiten des Landes berück-
sichtigen wollte. — Man dülfte wohl noch eine ausführlichere Würdigung des
ganzen Werkes nach seinem wissenschaftlichen Werihe wünschen. Einige Grund-
zge bei Abegg, Geschichte der Pr. Civilgesetzgebung, 68.
v. Ranle's Werle XXIX. 16