Meinungen und Regierungsweise des Königs. 307
Der continentale Protestantismus hatte einen Versuch gemacht,
fich in Schweden zu einer Weltmacht zu erheben, aber vergeblich;
im welthistorischen Sinne dasselbe, was die streitbaren Schwedenkönige,
Gustav Adolf, Carl X und Carl XII nicht zu vollbringen vermocht
hatten, vollzog jetzt Preußen, aber auf eine andere Weise. Jene
würden den religiösen Begriff mit Strenge festgehalten haben; das
Emporkommen von Preußen, wie es in der Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts erschien, beruht darauf, daß das nicht geschah. Hier
riß sich die Idee des Staates von ihrer Verbindung mit dem posi-
tiven Bekenntniß zum ersten Male los. Der Begriff des protestan-
tischen Reichsfürstenthums mit dem Rechte der kirchlichen Reforma-
tion setzte sich in den des Staates um, der vor allen Dingen hier-
auf Verzicht leistete. Um sich vor dem Uebergewicht anderer Welt-
elemente zu schützen, oder ihr Recht gegen sie zu behaupten, mußte
die protestantische Welt diese Umwandlung vornehmen.
Was in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts eine
Neuerung schien, war nach zwanzig bis dreißig Jahren der allge-
meine Sinn von Europa. Daß Friedrich mit der geistigen Be-
wegung der Zeit verbündet war, machte ihn groß in ihren Augen
und förderte seine Unternehmungen. Er richtete einen Staat auf,
in welchem der Druck, der noch an vielen Stellen nicht vermieden
werden konnte, durch die Erwägung der Nothwendigkeit gemildert
wurde, der Gehorsam ein Bewußtsein von Freiheit nicht ausschloß.
Da der Fürst sich den Bedingungen des Bestehens vollkommen unter-
warf, so that es auch ein jeder Andre ohne Beschämung.
Die Generation, welche Friedrich in dieser Zeit umgab, war
eine der geistesmächtigsten, die Norddeutschland jemals aus seinem
Schooße hervorgebracht hat. Wie vielleicht die besten Generale der
Welt, Münnich, der Marschall von Sachsen, der alte Dessauer und
so viele andere Gefährten des Königs Norddeutsche, so waren es die,
auf denen die Regeneration der deutschen Philosophie und Poesie, die
zum ersten Mal hervorgehende Kritik und Alterthumskunde beruhte.
Wie Friedrich die Disciplin der Römer in seinem Heer wiederher-
stellte, so wetteiferte der deutsche Geist in seiner eigenen Sprache in
allen Zweigen der Literatur mit dem Alterthum; eine gesinnungsvolle,
in ernster Arbeit emporstrebende Zeitgenossenschaft; Geister der ver-
schiedensten Richtungen, weder unter einander einverstanden, noch zu
diesem Werke herbeigezogen, aber im höhern Sinne zusammemwirkend.
Im deutschen Reiche war es nun dahin gekommen, daß das
Kaiserthum in dem Kerne seines politischen Daseins mehr als je
20“