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Siebentes Kapitel.
Von den Gründen, welche die Strafbarkeit ausschließen oder tilgen.
Ausschließung der Strafbarkeit.
1) Bei Kindern.
Art. 61.
Wer das zwölfte Jahr noch nicht zurückgelegt hat, kann wegen einer
durch ein Strafgesetz bedrohten Handlung nicht mit Strafe belegt werden.
Er ist eintretenden Falles seinen Aeltern, Vormündern oder Erziehern zur Er-
greifung geeigneter, die Besserung und Beaufsichtigung bezweckender Maßregeln
zu überlassen, oder nach Umstanden in einer Erziehungs= und Besserungs-An-
stalt unterzubringen.
2) Bei mangelndem Vernunftgebrauche.
Art. 62.
Es kann keine Strafe erkannt werden:
1) gegen Personen, welche bei Begehung einer gesetzwidrigen Handlung
durch eine allgemeine oder theilweise Seelenkrankheit des Gebrauches
ihrer Vernunft völlig beraubt gewesen sind;
2) gegen taubstumm geborene, oder in den Jahren der Kindheit taubstumm
gewordene Personen; in beiden Fällen vorausgesetzt, daß sie ohne eine
solche Ausbildung geblieben sind, in Folge welcher sie der Strafbarkeit
ihrer Handlung sich hätten bewußt werden können;
3) gegen diejenigen, welche sich zur Zeit des verübten Verbrechens in Folge
einer Krankheit oder anderer Umstände in dem Zustande völliger Be-
wußtlosigkeit befunden haben. Hat sich jedoch der Thäter absichtlich in
einen solchen Zustand versetzt, um ein Verbrechen zu verüben, so ist
letzteres als vorsätzlich begangen an demselben zu bestrasen.
Die Straflosigkeit der gedachten Personen schließt die Ergreifung von
Sicherheitsmaßregeln zu Verhütung anderweiter gesetzwidriger Handlungen der-
selben nicht aus.
3) Bei Jrrthum.
Art. 63.
Wird eine Handlung begangen, welche nicht schon an sich, sondern nur
wegen thatsächlicher, dem Thater ohne sein Verschulden unbekannt gebliebener
Umstände ein Verbrechen ist, so ist der Thaäter straflos.