130 Elstes Buch. Zweites Capitel.
ward; bei dem Abzuge hatte sie einen widerwärtigen Kampf mit der
erwachenden Feindseligkeit der Eimwohner zu bestehen: in dem Bunz-
lauer Kreise, durch den sie ihren Rückzug nahm, wurde sie falsch ge-
führt und auf die Höhe des Isargebirges gedrängt, wo sie, ohne
Zelte und Lebensmittel, in der härtesten Jahreszeit, leicht hätte völlig
zu Grunde gehen können, wäre nicht noch zur rechten Zeit Graf
Nassau mit einem ansehnlichen Corps von Schlesien her erschienen,
um sie, wie der Befehl des Königs lautete, aus Böhmen abzuholen.
Am 16. Dec. langten Nassau und Einsiedel bei Friedeberg in Schle-
sien an 1).
Und so kehrte Böhmen in einem Feldzug von zwei Monaten
vollständig wieder unter die Herrschaft der Königin zurück. Die
österreichische Armee war selbst verwundert, daß sie ein großes König-
reich erobert habe, in so kurzer Zeit, ohne Schlacht noch Belagerung.
Wollen wir die Gründe dieses Ereignisses erörtern, so lag der
allgemeinste in jenen politischen Combinationen, deren Anschein den
König von Preußen zu den kühnsten Bewegungen verführt hat, und
deren wirkliche Beschaffenheit der Königin so gut zu Statten kam.
Die vollkommene Unbesorgtheit vor jeder Einwirkung der Fran-
zosen und Kaiserlichen und die Unterstützung von Sachsen, die zu-
gleich ein geographischer Vortheil war, gab der österreichischen Stra-
tegie ein Uebergewicht, dessen sie sich vortrefflich bediente. Die Ver-
weigerung einer Schlacht, wo man auch ohne eine solche siegen konnte,
die Besitznahme von Kuttenberg in dem rechten Augenblicke, der Ueber-
gang über die Elbe an wohlgewählter Stelle, sind Handlungen, die
das Andenken Trauns, dem sie zugeschrieben werden müssen, unsterb-
lich machen.
Daß sie aber so glücklich ausgeführt werden konnten, dazu trug
noch etwas anderes bei.
Wiewohl es in diesem Jahrhundert oft so aussieht und fast
immer so betrachtet worden ist, als hänge der Erfolg einer kriege-
rischen Unternehmung nur von den Operationen der großen Heere ab,
1) General Nassau, in seinem Berichte vom 16. Dec., bemerkt, baß schon
das Gerücht von Succurs dem Einsiedelschen Corps Gelegenheit verschafft habe,
sich vom Hochwalde herabzuziehen. In Schwerta (in der sächsischen Lausitz)
stellte sich beim Rückzug ein sächsischer Lientenant dar „mit der schriftlichen
Ordre, daß er durch Sachsen, als ein neutrales Land, keine armirten Truppen
sollte passiren lassen, auch nicht ihre eigenen, so in der österreichischen Armee
englische Auxiliartruppen wären“. Auf Befragen, ob er die Ordre habe, Ge-
walt mit Gewalt zu vertreiben, antwortete er: „er sollte nur protestiren“.