Die erste Verfassungskommission. 287
sowohl wie neue, als woran sie gewöhnt sind und was jemals sie hatten,
so weit es mit der Gegenwart noch verträglich ist.““) Er verlangt also
Herstellung der Provinzialstände und erhebliche Erweiterung ihrer Rechte,
„nicht etwa, weil der Zeitgeist es gebietet, sondern weil der König will,
daß die Wohlfahrt seines Staates und nach dessen Beispiel Deutschland
und Europa vorschreite. Durch dieses Mehr wird zugleich eine Ausgleichung
oder allgemeine Verfassung für die verschiedenen Länder oder Provinzen
sich bilden lassen.“ Dergestalt bleibe die Selbständigkeit des Landesherrn
gesichert, die durch einen allgemeinen Landtag leicht geschädigt werden
könne. — So war denn zum ersten Male in einem amtlichen Aktenstücke
die Ansicht ausgesprochen, daß eine Verfassung für den Gesamtstaat über-
flüssig, ja gefährlich sei; die reaktionäre Partei am Hofe wie die Altstän-
dischen säumten nicht, die Außerungen des ängstlichen Ministers für sich
zu benutzen. Hardenberg aber widersprach lebhaft; auch der König war
noch nicht gewonnen.
Klewitz schlug ferner vor: „Zuerst müßte das Jemals-Bestandene
einzeln ausgemittelt werden;" Abgesandte des Staatsrats sollten die ein-
zelnen Provinzen bereisen, um die altständischen Verhältnisse kennen zu
lernen und an Ort und Stelle mit den Eingesessenen über die Verfassungs-
wünsche der Provinzen sich zu besprechen; die Einberufung von Notabeln
in die Verfassungskommission selbst, wie sie in der Verordnung vom 22. Mai
befohlen war, erscheine hochbedenklich angesichts der württembergischen Er-
eignisse. Der Ratschlag war wohlgemeint; denn allerdings konnte bei der
zerfahrenen Unsicherheit der öffentlichen Meinung eine Notabelnversamm-
lung in Berlin leicht zum Tummelplatze sozialer Leidenschaften und parti-
kularistischer Gelüste werden. Da aber das Ministerium sich noch nicht
einmal über die Grundzüge der Verfassung verständigt hatte, so erwuchs
aus der vorgeschlagenen Bereisung der Provinzen eine andere kaum geringere
Gefahr. Aus den Debatten einer Notabelnversammlung mußte doch irgend
eine Durchschnittsmeinung hervorgehen; befragte man dagegen einige hun-
dert Notabeln einzeln in ihrer Heimat, so ergab sich notwendig ein
Durcheinander grundverschiedener subjektiver Ansichten, das den schwan-
kenden Entschluß der Krone zu verwirren und zu lähmen drohte. Diese
Gefahr wurde nicht erkannt, es überwog die Sorge vor den Wirren einer
konstituierenden Versammlung. Der König genehmigte die Bereisung der
Provinzen. —
Unter solchen Umständen wurde am 7. Juli 1817 die Verfassungs-
kommission zum ersten und einzigen Male versammelt. Sie bildete, wie sich
von selbst verstand, eine Abteilung des Staatsrats und bestand aus zwei-
undzwanzig Mitgliedern desselben. Hardenberg teilte ihr mit, der König
halte für einfacher und sicherer, statt die Eingesessenen nach Berlin zu
*) Klewitzs Denkschrift vom 28. April 1817, dem Staatskanzler eingereicht am 1. Juni.