Volen. (Jan. 7.—30.) 499
XIX.
Polen.
7. Jan. Kundgebung des Papstes für P. (S. S. 325.)
8. 10. Jan. Besuch des Regentschaftsrates in Berlin (s. Tl. 1
S. 5 f.) und Wien (s. S. 2).
24. Jan. Keine Teilnahme an den Friedensverhandlungen.
In Erwiderung eines Telegramms des Ministerpräsidenten v. Kuchar-
zewski an den deutschen Reichskanzler, worin der Wunsch ausgedrückt
wurde, daß Vertreter der poln. Regierung zu den in Brest-Litowsk geführten
Verhandlungen zugelassen werden möchten, teilt Staatssekretär Dr. v. Kühl-
mann mit, daß zu dem lebhaften Bedauern der deutschen Regierung eine
Einigung über den Vorschlag der Mittelmächte, Bevollmächtigte der poln.
nationalen Staatsgewalt zu den Friedensverhandlungen hinzuzuziehen, nicht
habe erzielt werden können, da die russ. Delegation weder die Selbständig-
keit des poln. Staates, noch die Rechtmäßigkeit seiner gegenwärtigen Re-
gierung anerkennen wollte.
W. Jan. Der Ministerrat genehmigt den Entwurf eines Wehrges.
30. Jan. Regierungserklärung üb. Staatlichkeit und Friedensfrage.
Angesichts der bolschewistischen Angriffe veröffentlicht die Regierung
eine Erklärung, die den durch ein ganzes Jahrhundert offenbarten Willen
der gesamten poln. Nation zur Bildung eines unabhängigen Staates
betont. Darin heißt es: Diese Staatsbildung ist durch die historischen
Zweikaiser--Manifeste ermöglicht worden, und der poln. Regentschaftsrat ist
das von den breiten Massen des poln. Volkes anerkannte Souveränitäts-
organ dieses Staates. Die poln. Regierung, vom Regentschaftsrat in das
Leben gerufen, ist die einzige legitime Vertretung der poln. Nation und
vertritt diese, bis ein demokratischer Landtag die Regierungsform des poln.
Staates definitiv festsetzen wird. Die poln. Regierung ist bestrebt, den poln.
Staat auf demokratischer Basis zu bilden. Mit der alten westlichen Kultur
verbunden, tritt sie für die Gleichberechtigung sämtlicher poln. Bürger, ohne
Unterschied der Abstammung und der Konfession, ein, ferner für die Achtung
der Rechte und der Eigenart der fremden Nationalitäten, die in Polen leben;
die poln. Regierung wird dasselbe auch von denjenigen anderen Staaten ver-
langen, in denen Polen leben. Die poln. Nation ist für allgemeinen Frieden
auf Grund der Gerechtigkeit und der Freiheit bei Wahrung des Selbst-
bestimmungsrechts der Völker, besonders aber für einen unabhängigen poln.
Staat im Rate der freien Nationen. Das alles erfordert die Anwesenheit der
Vertreter der poln. Regierung mit Stimmrecht bei den Verhandlungen in Brest-
Litowsk. Die poln. Regierung stellt fest, daß keine Bestimmung in Sachen Polens
von den Polen als bindend anerkannt werden könne, die ohne Hinzuziehung
der Vertreter des poln. Staates zustande komme. In Anbetracht der Be-
handlung der Territorialfragen in Brest-Litowsk erklärt die poln. Regierung,
daß diejenigen Gebietsteile Polens, die, auf dem Wiener Kongreß unter
der Bezeichnung Königreich Polen durch eine dynastische Union mit Ruß-
land verbunden, bis zum heutigen Tag den Charakter eines urpoln. und
ausschließlich poln. Gebietsteiles bewahrt haben, mit einem poln. Volks-
element, das sowohl hinsichtlich der Zahl wie des Grundbesitzes im Ver-
hältnis zu den übrigen Bewohnern entschieden überwiegt, ungeteilt dem
unabhängigen poln. Staat angehören sollen. Dieser Gebietsteil ist heute.
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