fullscreen: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

42 Jas Veuische Reich und seine einzelnen Glieder. (März 4.—5.) 
4. März. Verordnung über den Betrieb von Bäckereien und 
Konditoreien (vgl. 22. April). 
Der Bundesrat setzt in einer Verordnung die Arbeitszeit der Gehilfen 
auf 12 Stunden, die der Lehrlinge auf 10 resp. 11 Stunden im Maximum 
fest und regelt die Nachtarbeit und Ruhezeit. 
4. März. Prinz Georg von Sachsen feiert sein 50jähriges 
Militärjubiläum. Der Kaiser richtet folgendes Schreiben an ihn: 
„Durchlauchtigster Fürst, 
freundlich lieber Vetter! 
Ew. Königliche Hoheit blicken heut auf eine 50jährige an Verdienst 
und Ehren besonders reiche Dienstlaufbahn zurück. Meinen herzlichsten und 
aufrichtigsten Glückwünschen für Ew. königliche Hoheit zu diesem Tage füge 
Ich den warmen Dank für das rege Interesse und die wohlwollende Fürsorge 
hinzu, welche Ew. Königliche Hoheit als General-Inspekteur der 2. Armee- 
Inspektion Meiner Armee und ihrer kriegstüchtigen Ausbildung, wie dem 
Ulanenregiment Hennigs von Treffenfeld (Altmärkischen) Nr. 16 als dessen 
erlauchter Chef allezeit gewidmet haben. Ich gedenke heut aber auch der 
unvergänglichen Lorbeeren, welche Ew. Königliche Hoheit Sich vor Metz, 
bei Beaumont, Sedan und vor Paris in den heißen Schlachten bei Villiers 
als Kommandeur der 23. Division und an der Spitze des 12. (Königlich 
Sächsischen) Armeekorps in jener großen Zeit erwarben. Meiner tief- 
empfundenen Dankbarkeit für Ew. Königliche Hoheit habe Jch nach Meinem 
Regierungsantritt durch Verleihung der wohlverdienten höchsten militärischen 
Würde Ausdruck gegeben; sie heut erneut bethätigen zu können, gereicht 
Mir zur herzlichen Freude, indem Ich Ew. Königlichen Hoheit hierdurch 
das Eichenlaub zu dem auf Frankreichs Feldern erkämpften Orden Pour 
le mérite verleihe, dessen Insignien anbei erfolgen. Möge es Ew. König- 
lichen Hoheit vergönnt sein, Ihre unschätzbaren Dienste noch lange dem 
Heere und dem Vaterlande zu weihen, und möge die Armee noch viele 
Jahre hindurch der Ehre teilhaftig bleiben, Ew. Königliche Hoheit als 
General-Feldmarschall in ihrer Mitte zu wissen. 
Mit der Versicherung der vollkommenen Hochachtung verbleibe Ich 
Ew. Königlichen Hoheit 
freundwilliger Vetter 
(gez.) Wilhelm.“ 
5. März. (Reichstag.) Flottenverstärkung. In der Bud- 
getkommission begründet Staatssekr. des Ausw. Frhr. v. Mar- 
schall die Forderung für 3 neue Kreuzer folgendermaßen: 
Wie im vorigen Jahre, sei er auch jetzt bereit, zu der Forderung 
wegen der Kreuzer einige allgemeine Bemerkungen zu machen, da sie zu 
einem erheblichen Teil zum Schutz unserer überseeischen Interessen bestimmt 
sind, deren Pflege dem Auswärtigen Amt obliege. Es handelt sich hierbei 
um dringende und unabweisbare Forderungen. Die Erwägungen der ver- 
bündeten Regierungen über die Flottenvermehrung werden sich auf streng 
sachlichem Boden bewegen, werden an die Bedürfnisse der Gegenwart und 
der nächsten Zukunft anknüpfen, auch die finanzielle Seite ernst ins Auge 
fassen und die Baufähigkeit unserer Werften und Eisenwerke nicht über- 
sehen. An keiner Stelle im Reich bestehe die Absicht, Schiffe ins Blaue 
hinein zu bauen und eine Weltpolitik zu inangurieren, wie man sie viel- 
fach befürchte. Eine Weltpolitik des Reichs könne in keinem Gegensatz zu
	        
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