Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

Deutschland — Preußen. 35 
Berathung mit den neuen Kammern, sei es eventuell auch ohne eine solche, 
einer nach dem älteren anerkannten Verfassungsrecht zusammenberufenen 
Ständeversammlung zur Vereinbarung vorlege. Es kommt darauf an, daß 
der Kurfürst diese Absicht klar, offen, unzweideutig und bindend ausspricht. 
Dies ist der Punkt, auf den, meines Erachtens, alle Bemühungen in Kassel 
zu richten sind“. 
4. April. Die Regierung legt dem Abgeordneten-Hause den Nürnber- 
 
 
 
  
 
ger Entwurf eines allgemeinen deutschen Handelgesetzbuches vor. 
6.4.  Das Abgeordneten-Haus nimmt das Gesetz über Judeneide an 
und debattirt über geheime Abstimmung bei den Wahlen. 
9.4.  Abbruch der Unterhandlungen zwischen Oesterreich und Preußen 
in Berlin über die Reform der Bundeskriegsverfassung. 
10.4.  Depesche des Herrn von Schleinitz nach Wien (in Antwort auf 
die österreichische Depesche vom 31. März) über die Lage der 
Dinge in Kurhessen: 
„.. Diese österreichische Depesche ist inzwischen durch die Entschließungen des 
Kurfürsten überhoit worden. Ehe diese Mittheilung in meinen Händen war, 
ist nämlich in Kassel bereits die Ausschreibung der Wahlen nach dem Wahl- 
gesetz von 1860 erfolgt, und zwar begleitet von einem Manifest des Kur- 
fürsten, welches nichts von denjenigen Verheißungen und Vorbehalten ent- 
hält, welche der Herr Graf von Rechberg nicht allein in dieser, sondern be- 
reits in seiner früheren Mittheilung vom 11. v. M. als den Ansichten des 
kaiserl. Cabinets entsprechend und der Lage der Dinge angemessen bezeichnet 
hat. . . . Für uns wie für das Land, ist und bleibt die rechtliche 
Seite der Frage die Hauptsache; und wir werden dem Kurfürsten auch um 
des Friedens willen keinen Rath geben können, welcher dieselbe gefährden 
könnte. Die rechtliche Seite aber erachten wir allerdings durch die Verein- 
barung mit der älteren, berechtigten Ständeversammlung für hinreichend 
gewahrt; und glauben nicht, daß eine vorherige Berathung mit nach dem 
Wahlgesetz von 1860 berufenen Kammern derselben Eintrag thun würde. 
Diese Berathung können wir lediglich als eine Sache der Convenienz auf- 
fassen; welche Bedeutung die kurfürstliche Regierung ihr beilegt, das scheint 
uns die Stellung des Landes zu derselben nicht zu berühren, sobald die Re- 
gierung den nun auch von dem kaiserl. Cabinet empfohlenen Vorbehalt der 
Vorlage an die alte Ständeversammlung offen und unzweideutig ausspricht. 
Ohne diesen Vorbehalt aber erscheint uns eine solche Berathung allerdings 
zwecklos. Die Vereinbarung mit den berechtigten Ständen wird also bei 
unseren Rathschlägen in Kassel immer den Hauptpunkt bilden müssen; und 
wir freuen uns der Gewißheit, daß das kaiserliche Cabinet, wenngleich von 
einem anderen Standpunkt aus, den wir unberührt lassen, praktisch zu 
demselben Resultat kommt, und daß seine Rathschläge, wenngleich sie das 
Gewicht einigermaßen nach einer anderen Seite hin legen werden, die 
unsrigen in diesem Punkt unterstützen können. ...  Daß der Kurfürst gleich 
bei dem Ausschreiben der Wahlen den oft erwähnten Vorbehalt aussprechen 
möge, ist leider schon durch das Gegentheil derselben beseitigt worden. Die 
kurfürstl. Regierung hat einen neuen, im besten Falle fruchtlosen Schritt 
auf der alten Bahn weiter gethan, und einen günstigen Zeitpunkt versäumt, 
in welchem ein offen entgegenkommender Schritt hätte zur Versöhnung 
führen können.. Es ist nun nur eine doppelte Alternative denkbar. 
Sollten — was ich indeß auch jetzt nicht für wahrscheinlich erachte — die 
Wahlen im Lande verweigert werden, so würde der Herr Graf v. Rechberg 
wohl keinen Anstand nehmen, den Zeitpunkt für eingetreten zu erklären, wo 
auch nach seiner Ansicht dem Kurfürsten nur die unmittelbare Berufung der 
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