Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1872. (49)

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b) Verfügung, betreffend die Vollziehung des §. 56 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich über 
die Unterbringung jugendlicher Verbrecher in einer Erziehungs= und Besserungsanstalt. 
Zu Vollziehung des §. 56 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich über Un- 
terbringung jugendlicher Verbrecher in einer Erziehungs= und Besserungsanstalt wird 
Nachstehendes verfügt: 
1) Der Vollzug des gerichtlichen Urtheils, wornach ein Angeschuldigter in eine Er- 
ziehungs= oder Besserungsanstalt gebracht werden soll, liegt den Kreisregierungen 
ob, und zwar ist für die Zuständigkeit im einzelnen Falle in erster Linie der Wohn- 
sitz des Betreffenden maßgebend, im Falle des Mangels eines Wohnsitzes aber die 
Heimathgemeinde und bei einem keiner Gemeinde angehörenden Württemberger oder 
einem Nichtwürttemberger der Sitz des erkennenden Gerichtes. 
Die Gerichte sind angewiesen worden, die zuständige Kreisregierung von einem 
solchen Urtheile sofort in Kenntniß zu setzen und ihr gleichzeitig auch die Unter- 
suchungsakten zur Einsicht zu stellen. 
2) Die Unterbringung hat in einer der hiezu geeigneten Privat-Rettungsanstalten unter 
Rücksprache mit der Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereins zu erfolgen; bei der 
Wahl der Rettungsanstalt ist vor Allem auf das Religionsbekenntniß des Unter- 
zubringenden Rücksicht zu nehmen. 
3) Vor der Unterbringung ist mit der Anstaltsverwaltung der Kostenersatz zu regeln, 
wobei erforderlichen Falles die Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereines um ihre 
Vermittelung anzugehen ist. 
4) Den Anstaltsvorstehern ist, womöglich vor der Einlieferung, von dem bisherigen 
Verhalten des Betreffenden sowie von dem Inhalte der Untersuchungsakten geeig- 
nete Kenntniß zu geben, um sie zu zweckmäßiger Behandlung des Eingewiesenen 
in den Stand zu setzen. 
5) Die Kreisregierung hat darüber zu wachen, daß die Entlassung des Eingewiesenen 
nach Vorschrift des Schlußsatzes des §. 56 des Reichsstrafgesetzbuches erfolgt, ins- 
besondere daß derselbe nicht länger in der Anstalt verbleibt, als es nach dem pflicht- 
mäßigen Ermessen der Anstaltsvorsteher und des Verwaltungsrathes des betreffen- 
den Hauses erforderlich ist. 
6) In Betreff der Kosten und des Ersatzes derselben sind die Vorschriften des Art. 11 
des Gesetzes vom 27. Dezember v. J. (Reg. Blatt S. 394) über die Bestreitung der 
Kosten der Verpflegung in einem Arbeitshause analog zur Anwendung zu bringen. 
Bei Nichtwürttembergern ist die Kostenrechnung dem Ministerium vorzulegen. 
Stuttgart, den 18. Januar 1872. Scheurlen.
	        
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