Contents: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

180 Bie Gesterreichisc-Augeristze Menarchie. (Dezember 17.) 
Daß andererseits von Oesterreich-Ungarn selbst die Vereinbarkeit 
eines bilateralen Verhältnisses zu dem verbündeten Staate und zu Ruß- 
land anerkannt worden ist, beweisen unter anderem die Reden, die Graf 
Kalnoky im Mai und Juni 1894 im auswärtigen Ausschusse der ungari- 
schen Delegation und im Budgetausschusse der österreichischen gehalten hat. 
Der Minister erklärte damals, daß sowohl bei Kaiser Alexander III. wie 
bei dessen Regierung nur günstige Dispositionen gegenüber Oesterreich-Un- 
garn vorherrschten und daß dies eines der gewichtigsten Motive dafür sei, 
daß die militärische Spannung in Europa aufhöre. Die damit dem Cha- 
rakter der österreichisch-russischen Beziehungen für die Gestaltung der euro- 
päischen Verhältnisse beigelegte Bedeutung war eine solche, daß von deutscher 
Seite die Frage mindestens mit dem gleichen Rechte wie die des Abgeord- 
neten Polonyi zu stellen gewesen wäre, ob dies vom Grafen Kalnoky be- 
kundete intime Vertrauensverhältnis Oesterreichs-Ungarns zu Rußland mit 
der Bündnispflicht gegen Deutschland zu vereinbaren sei. Graf Kalnoky 
hat aber gleich darauf, als in der deutschen Presse entsprechende Vorhal-- 
tungen versucht wurden, in der Sitzung des Budgetausschusses der öster- 
reichischen Delegation vom 9. Juni 1894 mit voller Berechtigung erklärt, 
es sei von den alliierten Regierungen stets daran festgehalten worden, daß 
ihr Bündnis unter einander gute Beziehungen zu anderen Mächten durch- 
aus nicht ausschließe. „Fürst Bismarck selbst"“, — fuhr Graf Kalnoky 
fort — „der doch den Grundstein zu der Bündnispolitik gelegt, hat stets 
ausgesprochen, daß möglichst freundschaftliche Beziehungen zu Rußland die 
beste Gewähr für die Erhaltung des Friedens seien. Alles, was von Berlin 
aus in dieser Richtung geschehen ist, wurde von uns stets mit vollem Ver- 
trauen und den besten Wünschen begleitet. Es ist also widersinnig, daß, 
wenn wir konstatieren, daß unsere Beziehungen zu Rußland freundliche sind, 
deutsche Blätter darin etwas erblicken, was eine Entfernung von unserem 
Bündnisverhältnisse bedeute."“ 
Diese Aeußerungen des Grafen Kalnoky lesen sich wie eine anti- 
zipierte Zurückweisung der Verdächtigung, die der Abgeordnete Polony jetzt 
gegen Deutschland gerichtet hat, weil dasselbe durch seinen Vertrag mit 
Töa gute Beziehungen zu diesem Reiche gepflegt und den Frieden ge- 
ichert hat. 
Wir glauben, durch diese Anführungen jedem österreichisch-ungarischen 
Verdachte gegen Deutschland, der sich auf das Abkommen mit Rußland 
stützt, den Boden entzogen zu haben, und es würde uns freuen, wenn ihre 
Veröffentlichung in der „Neuen Freien Presse“ den Erfolg haben sollte, 
diejenigen unserer Verbündeten cis und trans, die sich zu einer falschen 
und der Ehrlichkeit des Fürsten Bismarck nachteiligen Beurteilung der 
Sachlage haben verleiten lassen, zu einer Korrektur ihrer irrigen Auffassung 
zu veranlassen. Wir glauben, daß Oesterreich-Ungarn trotz des russischen 
Neutralitätsvertrages keinen aufrichtigeren und einsichtigeren Freund besessen 
hat als den Fürsten Bismarck."
	        
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