Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1896. (30)

§. 119. 
Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrthume 
war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die 
Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, daß er sie bei Kenntniß der Sachlage 
und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. 
Als Irrthum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrthum über 
solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich ange- 
sehen werden. 
§. 120. 
Eine Willenserklärung, welche durch die zur Uebermittelung verwendete Person 
oder Anstalt unrichtig übermittelt worden ist, kann unter der gleichen Voraussetzung 
angefochten werden wie nach §. 119 eine irrthümlich abgegebene Willenserklärung. 
§. 121. 
Die Anfechtung muß in den Fällen der §§. 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern 
(unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde 
Kenntniß erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als 
rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist. 
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 
dreißig Jahre verstrichen sind 
§. 122. 
Ist eine Willenserklärung nach §. 118 nichtig oder auf Grund der §§. 119, 
120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem Anderen gegen- 
über abzugeben war, diesem, anderenfalls jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, 
den der Andere oder der Dritte dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit der 
Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der 
Andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat. 
Die Schadensersatzpslicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der 
Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder in Folge von Fahrlässigkeit nicht kannte 
(kennen mußte). 
§. 123. 
Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder wider- 
rechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. 
Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem 
Anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung 
kannte oder kennen mußte. Soweit ein Anderer als derjenige, welchem gegenüber die 
Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist 
die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen 
mußte. 
§. 124. 
Die Anfechtung einer nach §. 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen 
Jahresfrist erfolgen.
	        
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